Werbung

Linker Türkei-Experte kämpft gegen Facebook-Zensur

Profil von Kerem Schamberger wurde vom Konzern gesperrt / 30-Jähriger ruft zur Umgehung der Blockade auf

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Schnell Informationen über die Festnahmen, Entlassungen und Repressionen gegen Linke und Kurden in der Türkei zu bekommen, ist gar nicht so leicht. Die Agenturen sind oft langsam oder übernehmen die Propaganda der AKP-Regierung über Linke und die kurdische Arbeiterpartei PKK. Eine fixe und verlässliche Quelle sind linke Journalisten und Wissenschaftler in Deutschland, die türkisch sprechen und die News für das deutsche Publikum schnell übersetzen und verbreiten. Ein solcher ist Ismail Küpeli – und auch Kerem Schamberger.

Doch aktuell finden sich auf der Facebook-Wall des Kommunisten nur Postings anderer User*innen– er selbst wurde vom Konzern vor einer Woche gesperrt. Auch ein zweites Profil, dass Schamberger anlegte, wurde am Dienstag gelöscht. »Anscheinend stehe ich auf der Abschussliste von AKP-Trolls und weiteren türkischen Nationalisten und Faschisten. Sie scheinen das Facebook-Profil hundertfach gemeldet zu haben«, sagt Schamberger in einem Interview mit der »jungen Welt«. Als Grund vermutet der Wissenschaftler, dass rechte Türken sich über seine Berichterstattung über die Verbrechen der AKP-Regierung und der Nationalisten aufregen, die er intensiv verfolge. Facebook sperre nun schon zum vierten Mal seinen Account, berichtet der 30-Jährige in der »jW« weiter.

Schamberger engagiert sich als Kommunist in Deutschland. Wegen seiner politischen Einstellung hat er bereits ein faktisches Berufsverbot an der Universität in München erhalten.

Facebook-Zensur umgehen: Mit der Crowd

Doch so leicht lässt sich Schamberger nicht zum Schweigen bringen. Im Kampf um die Doktorandenstelle hat er inzwischen von der ehemaligen Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) Unterstützung erhalten. Und um die Zensur auf Facebook zu umgehen, stellt er die aktuellen Informationen zur Türkei nun samt Verlinkung auf die Originalquelle und einem Foto auf seinen privaten Blog. »So durchbrechen wir gemeinsam die Facebook-Blockade: Ihr könnt die Nachrichten, die ihr interessant findet, nehmen und auf eurer Facebookseite posten«, schlägt er vor. »Wenn ihr Lust habt, markiert meinen Namen in dem jeweiligen Post, dann kann ich diesen auch auf meiner ansonsten gesperrten Pinnwand sichtbar machen«.

Und so kommt es, dass sich auf Schambergers Profil seit Neuestem wieder Nachrichten finden lassen. Zum Beispiel, dass die Festnahmen kurdischer Politiker weitergehen: »Der Ko-Bürgermeister von Kiziltepe bei Mardin, Ismail Asi, wurde heute früh von der Polizei festgenommen.« Oder dass es ein erstes Foto des HDP-Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas aus dem Gefängnis gibt.

»Bei jedem Kurdistan-Posting habe ich Angst, es könnte mein letztes sein«

Bereits mehrmals stand Facebook wegen Sperrungen linker Accounts in der Kritik. Wer zum Beispiel ein Foto mit Symbolen der PKK zeigt, wird binnen weniger Stunden gesperrt. Das Foto ist danach weg. So erging es bereits 2014 den LINKE-Bundestagsabgeordneten Abgeordneten Nicole Gohlke und Sabine Leidig, die sich an Protesten für die Legalisierung der PKK in Deutschland beteiligt und Fotos davon gepostet hatten.

Auch das Profil eines Referenten der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Florian Wilde, wurde bereits mehrfach gesperrt. Unter anderem hatte Wilde im März diesen Jahres auf seinem Privataccount drei Fotos von der Newroz-Feier, dem kurdischen Neujahrsfest, in Hannover geteilt. Dies berichtete die »taz«. Auf den Fotos war zwar keine Fahne der PKK zu sehen, aber die Flagge des Partisanen-Flügels der Kommunistischen Partei der Türkei. Wildes Konto wurde gesperrt. 24 Stunden später konnte er sich wieder einloggen, doch die Fotos waren entfernt worden. »Bei jedem Kurdistan-Posting habe ich Angst, es könnte mein letztes sein«, sagt Wilde gegenüber »nd«. Die nächste Sperre konnte bis zu einem Jahr dauern. Doch er schreibt trotzdem weiter.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal