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Burka und Integralhelm sind noch nicht ganz verbannt

Senat in den Niederlanden hat letztes Wort über Teilverbot der Gesichtsverschleierung

  • Steffi Weber, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit großer Mehrheit stimmte die »Zweite Kammer« des niederländischen Parlaments am Dienstag für ein teilweises Verschleierungsverbot in der Öffentlichkeit. Nun muss jedoch noch der Senat dem Gesetzentwurf zustimmen. Das ist längst nicht ausgemacht. Die Parteien, die bereits ihr Ja gegeben haben, verfügen zwar auch im Senat über die die Mehrheit. Der Raad van State, das wichtigste Beratungsorgan der Regierung, ist jedoch gegen die Maßnahme.

Der zur Debatte stehende Gesetzentwurf sieht ein Verbot der Gesichtsverschleierung in staatlichen Gebäuden, im Öffentlichen Nahverkehr, in Krankenhäusern und in Schulen vor. Es geht dabei nicht nur um Burkas und Nikabs, sondern auch um Skimützen und Motorradhelme. Bei einem Verstoß droht eine Geldstrafe von 405 Euro. Auf der Straße darf Gesichtsverschleierung weiterhin getragen werden.

Das Verbot stammt aus der Feder des sozialdemokratischen Innenministers Ronald Plasterk und soll sicherstellen, dass »in essentiellen Situationen« jederzeit Augenkontakt möglich ist. »Ausgangspunkt ist, dass in einem freien Land wie den Niederlanden, jeder das Recht hat, sich nach seinem eigenen Gutdünken zu kleiden, was immer Andere auch darüber meinen mögen. Die Freiheit ist nur in Situationen begrenzt, in denen es essentiell ist, dass man einander in die Augen schauen kann«, heißt es im Gesetzentwurf.

Dieser wurde durch 132 der 150 Abgeordneten angenommen. Lediglich die grüne Partei GroenLinks, die Linksliberale D66 und die vor zwei Jahren entstandene Migrantenpartei DENK stimmten gegen das Verbot. Letztere sprach von Schikane, D66 nennt das Verbot Symbolpolitik. Die Regierungsparteien VVD und PvdA stimmten für das Verbot ebenso wie die Christdemokraten CDA, die Christliche ChristenUnie, die rechtspopulistische PVV und die Sozialistische SP.

Die Sozialisten sind bereits seit Jahren Befürworter eines Teilverbots. SP-Abgeordnete Sadet Karabulut schrieb schon letztes Jahr auf der Parteiwebseite, dass es gut sei, dass Menschen nicht länger an Orten ihr Gesicht bedecken können, wo Erkennbarkeit die Norm sein sollte. Karabulut will dabei keine Ausnahme machen für Frauen, die ein Burka tragen. Die SP sieht die Burka als Kleidungsstück, das für Frauenunterdrückung steht. Es wäre äußerst merkwürdig, die Gesichtsverhüllung anders zu behandeln als andere Formen der Unterdrückung des weiblichen Geschlechts. »Gerade für Kleidung, die der Chancengleichheit der individuellen Entwicklung im Wege steht, werden wir keine Ausnahme machen. Die totale Unsichtbarkeit einer Gruppe von Frauen ist für uns nicht akzeptabel.«

Es ist bei Weitem nicht das erste Mal, dass das Niederländische Parlament sich mit einem möglichen Burkaverbot befasste. Bereits 2005 reichte der Rechtspopulist Geert Wilders, damals noch Einmannfraktion in der Zweiten Kammer, ein Verbot für den gesamten öffentlichen Raum ein. Die Zweite Kammer stimmte überraschend zu. Das Verbot wurde jedoch nicht durchgesetzt, da eine Untersuchung ein Jahr später aufzeigen konnte, dass ein solches Verbot nicht nur diskriminierend – sondern auch nicht mit internationalen Verträgen zu vereinbaren war. Ein Verbot, das nicht auf der Straße gilt und neben religiöser Kleidung auch Integralhelme und Sturmhauben betrifft, sei nicht diskriminierend, meint Minister Plasterk.

Der Raad van Staten rät erneut von einem Verbot ab. Auch betroffene Berufsgruppen haben sich dagegen ausgesprochen. Die Ärzteföderation KNMG nennt das Verbot unnötig, da gesichtsbedeckende Kleidung sehr selten zu Problemen führe und dies, falls es dennoch geschehe, in einem Gespräch meist gelöst werden könne. Auch die meisten Universitäten sind gegen ein Verbot. Im Öffentlichen Nahverkehr sei es ebenso unnötig, meint Professor Liesbeth Moors von der Universität van Amsterdam gegenüber der Tageszeitung Algemeen Dagblad. In einer Untersuchung wurde festgestellt, Frauen seien bei einer Fahrkartenkotrolle durchaus bereit, ihren Schleier zu heben.

Starke Befürworter eines Verbotes sind hingegen die Wähler. In 2011 waren laut Umfragen 80 Prozent der Niederländer für ein Burkaverbot. Es hat den Anschein, als denken Befürworter des Verbots hauptsächlich an die Parlamentswahlen vom März. Das Verschleierungsverbot kann als Versuch gedeutet werden, Rechtspopulist Geert Wilders Wind aus den Segeln zu nehmen. Die PVV des wasserstoffblonden Rechtspopulisten, gegen den derzeit ein Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung gegen Marokkaner läuft, ist laut Umfragen derzeit weitaus die stärkste Kraft.

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