Leicht gestärktes Russland
Präsident verweist in seiner Jahresbotschaft auf »positive Dynamik« in einzelnen Bereichen
Mit seiner bereits 13. Jahresbotschaft trat Präsident Wladimir Putin Donnerstagmittag vor das Parlament. Amtsvorgänger Boris Jelzin hatte Russland Strukturen verpasst, die denen der USA in der Form weitgehend nachempfunden sind. Dabei übernahm er die Rede seines Washingtoner Amtskollegen zur Lage der Nation gleich mit.
Nomineller Adressat sind die Abgeordneten von Duma und Senat. Für Mitglieder der Regierung und die höchsten Geistlichen aller Konfessionen ist stets das Gros des prächtigen Gestühls im Georgensaal des Großen Kremlpalastes reserviert. Restplätze gehen an Prominente: Künstler, Intellektuelle, Medienleute, Unternehmer. Unter den rund 1000 Zuhörern gab es viele neue Gesichter. Im September waren die 450 Mandate der Duma neu vergeben worden. Zuvor hatte Putin Schlüsselstellen der Kremladministration - eigentliches Machtzentrum - mit jungen, unverbrauchten und unbefleckten Verwaltungsprofis besetzt.
Dem Präsidenten ging es in seiner knapp 70-minütigen Rede vor allem um Bildung und das Gesundheitswesen. Das Spektrum sozialer Leistungen des Staates, so Putin wohl auch mit Blick auf die Präsidentenwahlen 2018, müsse erweitert werden. Auch in entlegensten Gegenden müssten die Menschen von Segnungen der Hochtechnologie-Medizin und der gezielten Förderung Hochbegabter profitieren können. Wichtig sei auch die Weiterentwicklung der »direkten Demokratie«.
Zwar sei 2016 erneut ein schweres Jahr gewesen, sagte Putin und meinte die anhaltende Rezession. Ursachen seien nicht die Sanktionen, mit denen der Westen »uns zwingen wollte, nach seiner Pfeife zu tanzen«, sondern eigene Fehler. Die makroökonomische Stabilität sei jedoch gewahrt worden, in einzelnen Branchen gebe es sogar eine »positive Dynamik«. Russlands Gegensanktionen - also der im Sommer 2014 verfügte Einfuhrstopp für europäische Lebensmittel - hätten die russische Landwirtschaft konkurrenzfähig gemacht. Ihre Exporte würden mittlerweile mehr in die Kassen spülen als die der Rüstungsindustrie. Einheimische Banken hätten, nachdem der Westen russischen Unternehmen den Zugang zu seinen Finanzmärkten sperrte, Kreditausfälle kompensiert. Gold- und Devisenreserven der Zentralbank seien 2016 wieder gestiegen, die Reservefonds würden sich erneut füllen. Die Inflation, die 2015 bei über 15 Prozent lag, werde 2016 sechs Prozent nicht überschreiten.
Herausforderungen, mit denen Russland konfrontiert war, so Putin wörtlich, »haben uns noch stärker gemacht«. Gemeint war auch der Syrien-Einsatz. Russland suche nicht die Konfrontation, sondern Freunde und Dialog auf der Basis des gegenseitigen Respekts. Ohne Verzicht auf eigene Interessen und ohne unerbetene Ratschläge. Moskau und Washington würden gemeinsam die Verantwortung für Sicherheit und Stabilität in der Welt tragen. Russland sei zur Zusammenarbeit mit der neuen US-Administration bereit.
Priorität habe die eurasische Zusammenarbeit und Partnerschaft vor allem mit der GUS und den Staaten der Pazifikregion. Russlands »aktive Ostpolitik«, in deren Fokus neben Moskaus strategischem Partner China vor allem Japan und Indien stehen, sei »nicht der Abkühlung der Beziehungen zum Westen, sondern langfristigen eigenen nationalen Interessen geschuldet«. Deutschland erwähnte der Kremlchef nicht, Europa kurz. An den Wahlergebnissen könne man sehen, dass in der EU die Nachfrage einer eigenständigen Politik und einem Wirtschaftskurs wachse, der sich an eigenen Bedürfnissen ausrichte.
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