Alle wissen es, nur Stoiber dämmert's nicht

Bayerischer Ministerpräsident und CSU-Chef hat die Zeichen der Zeit zu lange überhört

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Der Druck auf Edmund Stoiber nahm am Wochenende fast stündlich zu. Nach einem Monat Dauerkrise in der Münchner Staatskanzlei und den obersten CSU-Gremien sucht die bayerische Staatspartei nach einem Ausweg - mit oder ohne ihr bisheriges Zugpferd. Das lahmt allerdings nicht erst seit vier Wochen.

Von Wildbad Kreuth aus führt ein Wanderweg zur Königsalm. Vermutlich ist Edmund Stoiber in den letzten 14 Jahren, da er an der Spitze Bayerns steht, mehr als einmal dort gewesen. Stand ihm schließlich zu. Ein bisschen ist der bayerische Ministerpräsident immer auch König gewesen. Oder Gott. Oder beides. Aber Göttern droht irgendwann die berühmte Dämmerung. Und für so manchen König fand sich ein Königsmörder. Für die Königsalm dürfte Stoiber am Montag und Dienstag keine Zeit haben - bei der Fraktionsklausur der CSU in Wildbad Kreuth wird über nicht mehr und nicht weniger als seine politische Zukunft entschieden. Und über viel mehr. Hier, wo vor 31 Jahren schon einmal die Freundschaft mit der CDU ein jähes, wenn auch nur kurzzeitiges Ende fand, steht das Ansehen der Konservativen im Lande schlechthin auf dem Spiel. Nicht umsonst schickte am Wochenende die größere Schwesternpartei von ihrer Klausurtagung im nördlichen Bremen gen Süden besorgte Signale, man möge die Krise bald in den Griff bekommen. Nicht umsonst beschwor gestern Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) die bisherige »exzellente« Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien. Nicht umsonst hat selbst die Kanzlerin ihr gutes Miteinander mit Stoiber - wenn auch mit betont wenig Emotionalität - zu Protokoll gegeben. Schließlich wird heute und morgen nahe des Tegernsees das christsoziale Agieren entscheiden, ob die bayerische SPD ihre Ankündigung wahr machen wird und die bislang alleinregierende CSU, die bei jüngsten Umfragen ihre absolute Mehrheit eingebüßt hat, per Neuwahlen oder gar Volksentscheid in ziemlich hektisches Rudern versetzt. Aber noch denkt der Ministerpräsident über eine Wiederholung seiner Abbitte-Tour vom letzten Jahr nach, als er nach seiner heftig kritisierten Berlin-Absage durch die Basisgruppen tingelte und bekannte, wie ein Hund zu leiden. Noch wird in der Parteizentrale über den geordneten Rückzug Stoibers debattiert, damit der 65-Jährige mit der Politik-Sucht nicht in ein schwarzes Loch fallen möge. Noch erwägt man das Vorziehen des für November geplanten Parteitages, auf dem der sich bis vor kurzem sicher wähnende Stoiber zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl gekürt werden sollte. Zeitgewinn lautet die Devise, denn noch ist mitnichten klar, wer Stoiber ein Lichtlein aufsteckt oder den Mut zum Königsmörder hat. Mut gehört offenbar eine Menge dazu, dem beratungsresistenten Ministerpräsidenten beizubiegen, dass die Zeit zum Abgang gekommen, wenn nicht schon verstrichen ist. Am Freitagabend, als bei Hofe der Neujahrsempfang stattfand, gab sich Stoiber jedenfalls kampfeslustig: Er wisse, im Feuer zu stehen, aber wer in der Küche arbeite, müsse auch Hitze vertragen können, ließ er die Höflinge wissen. Derweil seine Gattin, die offenbar im Unterschied zu ihrem Angetrauten mit der Realität nicht auf Kriegsfuß steht, mit den Tränen kämpfte - und die Öffentlichkeit dem Händeschütteln zwischen dem einst stolzen Ministerpräsidenten und seiner sichtlich stolzen Widersacherin Pauli genüsslich angesichtig werden konnte. Hoffnungen, dass Stoiber von sich aus den Rückzug antritt - wie es den Hubers, Becksteins, Herrmanns oder Seehofers am liebsten wäre - scheinen nicht aufzugehen. Der Mann, den die aufmüpfige Fürther Landrätin Gabriele Pauli das Fürchten lehrte, will offenbar ganz offiziell - und keinesfalls durch eine kleine Landrätin - gestürzt werden. Das aber, wissen viele Insider, würde die CSU in ihre bislang schlimmste Krise führen. Der Kampf enttäuschter Stoiber-Getreuer und urplötzlicher Stoiber-Verräter könnte zur Zerreißprobe der Partei werden - und jene typisch bayerischen Netzwerke zerstören, an denen in der CSU Jahrzehnte eifrig und erfolgreich gebastelt worden war. Nicht erst seit Stoibers Ausflügen in die Unantastbarkeit und die Unendlichkeit der Macht geht die Angst vor Einflussverlust innerhalb der Unionsfraktion um. Übrigens eine Angst, die die Runde macht, seit Gerhard Schröder - freilich nur fürs eigene Überleben im Kanzleramt - die Fraktionsgemeinsch...

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