Er überzog die Verhältnisse mit Hohn und Spott

Adolf Glaßbrenner beschrieb Eckensteher, Kleinbürger und andere Typen und machte den Berliner Witz unsterblich

  • Hans-Joachim Beeskow
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.
Mit 17 Jahren begann Adolf Glaßbrenner journalistisch-publizistisch zu arbeiten. Er veröffentlichte zunächst kleinere Beiträge in Zeitungen, wie zum Beispiel in »Saphirs Berliner Courir«, im »Berliner Intelligenzblatt«, in der »Vossischen Zeitung« und im »Berliner Till Eulenspiegel«. Ab Januar 1832 gab er eine eigene Zeitung, den »Berliner Don Quixote«, heraus. Im selben Jahr initiierte er unter seinem Pseudonym Adolf Brennglas die Schriftenreihe »Berlin wie es ist und - trinkt«, die 30 Hefte erlebte und überaus erfolgreich und beliebt war. Ein Heft kostete einen Groschen. Heft 1 erschien 1833 bereits in 4. Auflage. In der Vorrede zum 1. Heft - gewissermaßen als Programm - formulierte Glaßbrenner: »Über Berlin ist schon so Vieles und so Manches geschrieben worden, immer fehlte es aber noch an einer vollständigen Charakteristik aller niederen Volksklassen dieser Residenz. Ein Berliner von Geburt, dessen größtes Vergnügen es war, das Tun und Treiben dieser Leute zu belauschen, habe ich es unternommen, genannte Lücke auszufüllen.« »Ein Berliner von Geburt ...«, das konnte Adolf Glaßbrenner für sich in Anspruch nehmen. Am 27. März 1810 kam er hier zur Welt. Sein Vater war Besitzer einer Schmuckfederfabrik. Bis zu seinem 14. Lebensjahr besuchte Adolf Glaßbrenner das Friedrich-Werdersche Gymnasium. Sein Klassenkamerad, der spätere Schriftsteller Karl Gutzkow, wusste über Glaßbrenner von einer »immer flüggen Lebendigkeit im Rätselaufgeben und Scharadenlösen« zu berichten. Wegen der Teilnahme an einem Schulstreik musste Adolf Glaßbrenner das Gymnasium verlassen. Anschließend begann er eine kaufmännische Lehre in der kleinen Seidenwarenhandlung Gabin in der Breiten Straße in Mitte. Außerdem war er Gasthörer an der Berliner Universität und besuchte u.a. Vorlesungen von Hegel, den er zunächst verehrte und später verspottete. Ein Zeitgenosse berichtete, dass Glaßbrenner, der auf Berliner Märkten und Volksfesten seine Studien betrieb und Aufzeichnungen machte, umhergegangen sei wie ein Photograph, der die Bilder aus dem Leben der Straße auf seine Platte brachte. Und so beschrieb Glaßbrenner dann »die Eckensteher, Hökerinnen, Sandjungen, Guckkästner, Fuhrleute, Dienstmädchen, Kleinbürger und andere Berliner Typen, deren charakteristische Eigenschaften er in Stil und Sprache zu erfassen suchte«. Neben seinen Heften »Berlin wie es ist und - trinkt« gab er auch 13 Hefte »Buntes Berlin« heraus, in denen ebenfalls der »kleine Mann« mit seinem Freud und Leid im Vordergrund stand. Ab 1841 lebte Glaßbrenner mit seiner Frau Adele Peroni, die er 1840 geheiratet hatte und die von Beruf Schauspielerin war, in Neustrelitz in Mecklenburg. Andauernde Schikanen der Polizei- und Zensurbehörden hatten ihn aus Berlin vertrieben. Auch seine Frau hatte in Berlin ihre Schwierigkeiten. Ihr Vertrag mit dem König-städtischen Theater zu Berlin wurde nicht verlängert, weil Adolf Glaßbrenner wegen seiner scharfen Theaterkritiken dem Intendanten »ein Dorn im Auge« war. In Neustrelitz fand Adele Peroni ein Engagement am Großherzoglichen Hoftheater »zu fast traumhaften Bedingungen«. Glaßbrenner indes widmete sich weiterhin seiner journalistisch-publizistischen Arbeit. Im Jahre 1845 erschien z.B. sein größtes und bedeutendstes Werk »Der Neue Reineke Fuchs«, in dem er die damaligen politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse mit Hohn und Spott überzog. Ab 1847 gab er die »Bilder aus dem Berliner Volksleben« heraus, die u.a. von Theodor Hosemann, dem späteren Lehrer von Heinrich Zille, illustriert wurden. Im Vorwort zu diesen Bildern betonte Glaßbrenner: »Wenn hier ausnahmsweise nicht auf Berlin und die Berliner geschimpft wird, so liegt das in meinem besseren Wissen und tieferen Blick. Die Flachheit glaubt immer nur geistreich zu erscheinen, wenn sie tadelt, oder sie hat keinen Mut, gegen das Übliche aufzutreten. Alles Hassenswerte, gegen das sich das Berliner Volk selbst sträubt, das es verachtet und verdammt - alles, was schlimmer deutscher Zustand ist, wird Berlin und den Berlinern zugeschrieben... Auf das Heraustreten der Kraft Berlins wartet die neue Geschichte unseres Vaterlandes.« Als Glaßbrenner von den Berliner revolutionären Ereignissen im März 1848 erfuhr, begab er sich hierher und stellte sich mit seinen literarischen Möglichkeiten und Fähigkeiten auf die Seite der fortschrittlichen Kräfte. Das nahmen die Reaktionäre wiederum zum Anlass, Glaßbrenner und seine Frau aus Neustrelitz auszuweisen. Beide gingen im Jahre 1850 nach Hamburg, wo seine Frau eine Theaterschule gründete. Glaßbrenner gab weitere satirische Zeitschriften heraus und siedelte im Jahre 1858 wieder nach Berlin über. Er übernahm die Redaktion der »Berliner Morgenzeitung« und blieb bis zu seinem Lebensende als Mitarbeiter und Herausgeber verschiedener Zeitungen und Zeitschriften in Berlin tätig. Ein Leben lang war Adolf Glaßbrenner ein bürgerlicher Demokrat. Er verspottete den Untertanengeist des Kleinbürgers und setzte den von ihm beschriebenen Typen des Berlinischen Lebens ein bleibendes Denkmal. Glaßbrenners Menschenbilder waren »immer von Wärme und Mitgefühl getragen. Nie erlag er der Versuchung, sich in seinen Satiren über das dürftige Leben der armen Leute zu setzen«. Mit dem preußischen Militarismus jedoch wollte und konnte er keinen Frieden schließen. Den reaktionären Kräften erteilte er in seinem literarischen Werk eine deutliche Abfuhr. Am 25. September 1876 beschloss der Tod seinen arbeits- und ergebnisreichen Lebenskreis. Auf dem Friedhof III (Mehringdamm 21) der Jerusalems- und Neuen Kirche in Kreuzberg wurde er begraben. Seine Frau, die am 31. Juli 1895 verstarb, fand auf diesem Friedhof ebenfalls ihre letzte Ruhestätte. Adolf Glaßbrenner hinterließ ein vielfältiges und reichhaltiges journalistisch-publizistisches Lebenswerk. Er gilt zu Recht als der Begründer der humoristischen und satirischen Berliner Volksliteratur, die den Berliner Witz und Humor des 19. Jahrhunderts unsterblich gemacht hat. Nach wie vor ist die zweibändige Auswahl aus Glaßbrenners Werk, die im Jahre 1954 von Klaus Gysi und Kurt Böttcher im Verlag Das Neue Berlin unter dem Titel »Unsterblicher Volkswitz« herausgegeben worden ...

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