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Knapper Sieg für Lübecker Baumretter

Bürgervotum gegen Bauprojekt der Ratsmehrheit

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Bürgerentscheid über den Erhalt einer Baumreihe verlief am Sonntag in Lübeck (Schleswig-Holstein) so spannend wie ein Krimi. Befürworter und Gegner lagen gerade einmal 255 Stimmen auseinander. 48 Winterlinden am Rande der westlichen Altstadt bleiben nun stehen.

Zwei Stunden nach Schließung der 73 Abstimmungslokale herrschte knisternde Spannung im Lübecker Rathaus, der Wahlzentrale des Bürgerentscheids: Es fehlte noch das Ergebnis des letzten Stimmbezirks, und die Pro- wie die Kontra-Seite trennten nur 300 Stimmen. Ein paar Minuten später dann überschwänglicher Jubel bei der Initiative »Lübecks Linden leben lassen«. Für den Erhalt der über 50 Jahre alten Bäume votierten 20 659 Lübecker und damit 50,3 Prozent der Teilnehmer, dagegen waren 20 404 (49,7 Prozent). Die Wahlbeteiligung lag bei 23,2 Prozent.

Dem Urnengang voraus ging eine monatelange, äußerst emotional geführte Auseinandersetzung um die vorgesehene Sanierung eines insgesamt 800 Meter langen Abschnitts des Straßenzuges An der Untertrave. Die Stadt wollte einen 15,6 Millionen Euro teuren Umbau samt Rodung der Linden und Neupflanzung von 60 schwedischen Mehlbeere-Bäumen, Gegner dieser Projektvariante wollten eine Neugestaltung unter Einbezug der bestehenden Linden-Reihe am Wasser. Die Stadt mahnte zur Eile, weil ansonsten zugesicherte Fördergelder von EU, Bund und Land verfallen würden. Zudem bestritt die Stadt, dass eine Umgestaltung unter Beibehaltung der Linden möglich sei, zumal die Bäume laut Gutachter nur noch eine geringe Lebensdauer hätten. Ein Baumexperte vom Linden-Bündnis bestritt diese Aussage.

Unterschwellig ging es jedoch - losgelöst vom ökologischen Nachhaltigkeitsaspekt - auch um die Frage, wie dringlich der Umbau des Straßenabschnitts in eine aufgehübschte, barrierefreie Flaniermeile eigentlich ist. Die Linden-Retter meinen, die bisherige Planung sei überdimensioniert und könnte bei wegfallenden Fördermitteln auch unter Einbeziehung der Linden günstiger in Angriff genommen werden. Es gibt auch zahlreiche Lübecker, die möchten in der am höchsten verschuldeten Stadt Schleswig-Holsteins vorrangig erst einmal Geld in marode Brücken und sanierungsbedürftige Schulgebäude stecken, bevor der Umbau an der Untertrave überhaupt auf die Agenda kommt.

Der Sieg des kleinen Bürgerbündnisses bedeutet zunächst, dass die Linden zwei Jahre lang vor Axt und Motorsäge geschützt sind. Wie es An der Untertrave nun weitergeht, das wird im nächsten Jahr in der Lübecker Bürgerschaft neu diskutiert. Der Ausgang des Bürgerentscheids war auf jeden Fall eine Niederlage für den überwiegenden Teil des Stadtparlaments und für Bürgermeister Bernd Saxe (SPD). Denn nur die Grün-Alternative Linke (GAL) und die Grünen hatten sich auf die Seite der Linden-Bewahrer gestellt, alle übrigen Parteien plädierten für die Rodung der Bäume.

Den Vorwurf, nun am Wegfall externer Fördergelder schuld zu sein, weist das Linden-Bündnis zurück: Die Stadt habe nur einen einzigen Förderantrag gestellt, nämlich zur Umgestaltung unter Rodung der Linden - Anträge mit anderen Alternativen seien gar nicht erst in Erwägung gezogen worden. Der Streit geht unterdessen weiter. Linden-Bündnis und Stadt sind uneins, ob es nun einen Rechtsanspruch auf eine Umgestaltung des Untertrave-Straßenzugs mit den Linden gibt.

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