Wohnzimmer auf Marktplätzen

Landesjugendring erhielt Unterstützung bei seiner Kampagne »Schöner leben ohne Nazis«

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Noch bis Ende Januar können sich lokale Initiativen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus um den »Steh-Auf-Preis« 2017 der F.C. Flick-Stiftung bewerben. Wie die Geschäftsführerin der Stiftung Susanne Krause-Hinrichs am Dienstag sagte, ist das Umfeld durch die innen- und außenpolitische Entwicklung »immer schwieriger« geworden, was leider zu befürchten gewesen sei. Dennoch würden die Erfolge in den vergangenen Jahren dazu ermutigen, auf diesem mühsamen Weg fortzufahren.

Der »Steh-Auf-Preis« ist mit 10 000 Euro dotiert. Er kann an Initiativen und Einzelpersonen vergeben werden. Im vergangenen Frühjahr sind 60 Bewerbungen eingegangen, der Preis ist an drei davon aufgeteilt worden. Hier eine Auswahl zu treffen, sei »sehr schwer« gewesen, bekannte Krause-Hinrichs. Alle hätten die Auszeichnung und das Geld verdient.

Auch im kommenden Frühsommer soll der Preis wieder vergeben werden, die Bewerber werden zumindest alle eingeladen, wird versprochen. Sie sollen wissen und erleben, dass ihre Arbeit wichtig sei und geschätzt werde - gerade auch in Regionen, wo der Rechtspopulismus inzwischen die Mehrheitsmeinung zu werden drohe. Der Geschäftsführerin zufolge haben Leid und Terror immer eine Medienöffentlichkeit in Deutschland, die guten Beispiele dagegen fristen oft ein Mauerblümchendasein.

Derzeit unterstützt die Flick-Stiftung rund 70 Projekte, darunter die vom Landesjugendring ausgehende Kampagne »Schöner leben ohne Nazis«. Geschäftsführerin Melanie Ebell berichtete, dank der Flick-Stiftung habe der Jugendring seine Kampagne im Sommer mit großem Erfolg durchführen können. Die Idee dabei: Es wurden die Möbel zu einer Art Wohnzimmer auf Marktplätzen aufgebaut. Denn »die ersten politischen Erfahrungen sammeln Kindern und Jugendliche im Elternhaus«, erklärte Ebell. Es habe verbale Auseinandersetzungen mit dem »klassischen AfD-Wähler« gegeben. Als Erfolg werteten Ebell, dass bei allen sieben Stationen der Tour Flüchtlinge aus Asylheimen in der Nähe mit einbezogen werden konnten. Zu einer Aktion, die auch weitergeführt werde, zählt sie den »Skulpturen-Baum«. An ihn konnten Flüchtlinge den Namen ihres Heimatortes und die ungefähre Entfernung anbringen.

Ein weiteres gefördertes Projekt der Stiftung, die inzwischen bis zu einer Million Euro im Jahr zur Verfügung stellen kann, ist das der Kammerakademie Potsdam unter dem Namen »Musik schafft Perspektive«. Eine Potsdamer Grundschule, ein Stadtteil-Freizeitprojekt und die Akademie ermöglichen die Begegnung junger Potsdamer und junger Flüchtlinge mit klassischer Musik. Geschäftsführer Alexander Hollensteiner erzählte von Kindern, die noch Wochen zuvor kein Wort Deutsch verstanden und nun Lieder und Gedichte in dieser Sprache vortragen.

Die Flick-Stiftung fördert Projekte im allen neuen Bundesländern und in Berlin. Zuwendungen erhält auch eine Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus und Rassismus, die vom Verein Kiga ausgeht und sich »Peer to Peer« nennt. Der Vereinsvorsitzende Aycan Demirel sprach von Pionierarbeit im Bereich der Einbindung junger Muslime in die politische Bildung. Er bedauerte, dass Jugendliche heute eher als Täter und Terroristen wahrgenommen werden und viel zu selten als Menschen, die zur Verständigung beitragen und Vorurteile überwinden. Er forderte dazu auf, Muslime ernst zu nehmen und ihnen Verantwortung zu übertragen.

Erst recht, wenn »es so dicke kommt wie jetzt gerade«, gebe es kaum wichtigere Signale auszusenden als die der genannten Initiativen, unterstrich Krause-Hinrichs. Was da geleistet und gefördert werde, sei eine »Erfolgsstory«.

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