Genossen drängen Sigmar Gabriel zur Kandidatur

Trotz geringer Erfolgsaussichten wollen einige führende Sozialdemokraten, dass der Parteichef gegen Kanzlerin Angela Merkel antritt

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die SPD-Spitze gibt sich geheimnisvoll. Sie will in vertraulicher Runde darüber entscheiden, wer die Partei als Kanzlerkandidat in den Wahlkampf führen wird. Nach Medienberichten soll die Zusammenkunft am 10. Januar in der Nähe von Düsseldorf stattfinden. Bei einer Klausur soll der Parteivorstand die Personalentscheidung am 29. Januar absegnen.

Nun drängen immer mehr Genossen ihren Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel, im kommenden Jahr gegen Kanzlerin Angela Merkel anzutreten. Johannes Kahrs, Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD-Bundestagsfraktion, sagte dem »Tagesspiegel«: »Wir brauchen als Kanzlerkandidaten eine Kämpfernatur wie Gabriel, der die Unterschiede zwischen SPD und Union klar herausarbeitet.« Zuvor hatten sich auch einige Landesregierungschefs wie Carsten Sieling (Bremen), Michael Müller (Berlin) und Torsten Albig (Schleswig-Holstein) für Gabriel ausgesprochen. Auf den Rückhalt des einflussreichen nordrhein-westfälischen Landesverbands kann er sich ebenfalls verlassen.

Andere wichtige Sozialdemokraten sind skeptisch. Die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer hat sich nicht festgelegt. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil und sein Amtskollege aus Brandenburg, Dietmar Woidke, lobten den scheidenden EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz als möglichen Kandidaten neben Gabriel.

Gegen den sprunghaften SPD-Chef spricht, dass er in den Umfragen sehr schlecht abschneidet. In dem am Mittwoch veröffentlichten »Stern-RTL-Wahltrend« sprachen sich 52 Prozent der Befragten dafür aus, dass die CDU-Vorsitzende Merkel Kanzlerin bleibt. Für den Wirtschaftsminister würden sich hingegen lediglich 13 Prozent entscheiden. Nach einer Umfrage des ARD-Deutschlandtrends von Anfang Dezember war Schulz, der demnächst in die Bundespolitik wechselt, weitaus beliebter. In ihm sahen 36 Prozent der Befragten den geeigneteren Regierungschef. Merkel lag sieben Prozentpunkte vor ihm.

Nach einem Bericht des »Spiegel« sollen einige Parteikollegen versucht haben, Schulz zu überreden, seine Kandidatur öffentlich zu erklären. Dadurch sollte ein Mitgliederentscheid herbeigeführt werden. Nach Angaben des Magazins würde der Rheinländer zwar gerne kandidieren, er schrecke aber davor zurück, gegen Gabriel anzutreten. Beide gelten als enge Freunde. Schulz soll vor Weihnachten gegenüber Genossen zu erkennen gegeben haben, nicht mehr mit einer Kandidatur zu rechnen.

Als Alternative war bislang auch eine Kandidatur des Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz im Gespräch, der in der Hansestadt hervorragende Wahlergebnisse vorweisen kann. Fraglich ist allerdings, ob eine überraschende Personalentscheidung, die keine inhaltliche Wende mit sich bringen würde, der SPD wieder auf die Beine helfen würde. Sie ist in den bundesweiten Umfragen auf nur noch 20 Prozent abgerutscht.

Im linken SPD-Flügel, der keinen eigenen Anwärter auf die Kanzlerkandidatur hat, wurde zuletzt kritisiert, dass die Personalfragen in den Medien die Debatten über die inhaltliche Aufstellung der Partei überdeckten. Dabei geht es auch um die Steuerpolitik. Im Gespräch ist, dass Abgaben für Spitzenverdiener geringfügig angehoben werden sollen, um zugleich mittlere und niedrigere Einkommen zu entlasten. Im Mai 2017 will die SPD bei einem Parteitag ihr Wahlprogramm beschließen. Fraglich ist, ob sie dann erneut die Wiederbelebung der Vermögensteuer fordern wird. Die Parteilinken sind dafür, um etwa verstärkt in Bildung investieren zu können. Konservative Sozialdemokraten sorgen sich hingegen um das Betriebsvermögen von »Familienunternehmen«.

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