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Geflüchtete beleben die Konjunktur

DIW-Chef: Staatliche Programme und Konsumausgaben der Flüchtlinge treiben das Wirtschaftswachstum an

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder verweisen Rechtspopulisten im Zusammenhang mit dem verstärkten Flüchtlingszuzug auf die immensen Kosten. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kamen im Jahr 2015 rund 890 000 Asylsuchende nach Deutschland. Im laufenden Jahr sollen es 300 000 gewesen sein. Die Aufnahme einer so großen Zahl von Menschen ist teuer. Die staatlichen Mehrausgaben für Geflüchtete betragen im laufenden Jahr deutlich mehr als 20 Milliarden Euro.

Doch anders, als die Aussagen von AfD- und CSU-Politikern vermuten lassen, ist das Geld nicht verloren, sondern schiebt hierzulande das Wirtschaftswachstum an. »Die staatlichen Leistungen für Geflüchtete wirken wie ein kleines Konjunkturprogramm, denn ultimativ kommen sie vor allem deutschen Unternehmen und Arbeitnehmern durch eine höhere Nachfrage zugute«, sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der »Rheinischen Post«. »Der positive Effekt der Geflüchteten auf die Wirtschaftsleistung wird sich in den kommenden Jahren weiter verstärken«, so Fratzscher. Allein die staatlichen Ausgaben für Geflüchtete hätten im Jahr 2016 »das Wirtschaftswachstum um etwa 0,3 Prozentpunkte erhöht«.

Bislang machen die Geflüchteten etwa ein Prozent der Erwerbstätigen aus. Langfristig »könnte die Integration der Geflüchteten die deutsche Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozentpunkte oder mehr erhöhen«, betonte Fratzscher. Zwar würden Geflüchtete auch langfristig häufiger als Einheimische Nettoempfänger von staatlichen Leistungen sein, »aber diese zusätzliche Wirtschaftskraft kommt allen zugute«.

Was in den Debatten oft vergessen wird: Auch Hartz-IV-Bezieher zahlen Abgaben, denn beim Einkauf werden indirekte Steuern fällig. So holt sich die öffentliche Hand einen Teil ihrer Ausgaben über Umwege zurück. Die Wirtschaft profitiert von steigenden Umsätzen. Das DIW erwartet in seiner am 14. Dezember veröffentlichten Winterprognose, dass einer größeren Zahl von anerkannten Flüchtlingen »mehr monetäre Transfers zufließen«. Dies dürfte, so die Forscher von Deutschlands wichtigstem Wirtschaftsforschungsinstitut, »im Winterhalbjahr den privaten Verbrauch stimulieren.«

Auch der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Clemens Fuest, unterstrich im Gespräch mit der »Rheinischen Post«: »Der Staat gibt vor allem infolge der hohen Flüchtlingszahl von 2015 deutlich mehr aus. Auch der private Konsum steigt unter anderem deshalb, weil durch die stärkere Zuwanderung einfach mehr Menschen bei uns sind, die in Deutschland Geld ausgeben. Beides stimuliert die Binnenkonjunktur.« Im Zuge des verstärkten Zuzugs wurden Unterkünfte errichtet und Tausende Betreuer und Lehrer zusätzlich angestellt.

Entstehen derzeit noch viele Jobs im Bereich der Flüchtlingsbetreuung, soll sich dieser Trend demnächst abschwächen, erwartet man beim DIW, weil »ein weiterer Beschäftigungsaufbau im Sozial- und Bildungsbereich nicht mehr erforderlich ist«.

Auf dem Arbeitsmarkt macht sich der Zustrom aus den Krisengebieten dieser Welt aber auch ganz direkt bemerkbar. Allerdings halten sich die befürchteten negativen Effekte in Grenzen. Nach Berechnungen des ifo-Instituts soll die Zahl der Arbeitslosen in den nächsten Jahren stabil bei 2,7 Millionen liegen - »trotz des Zustroms der Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt«. Die Quote läge damit bei konstant 6,1 Prozent.

Viele Neubürger werden in nächster Zeit Maßnahmen zur Integration in den Arbeitsmarkt durchlaufen müssen, um überhaupt vermittelbar zu sein. Solange sie in so einer Maßnahme stecken, werden sie von Arbeitslosenstatistik ignoriert.

Aber eines wird der Zuzug nicht lösen können: das deutsche Demografieproblem. So resümieren die DIW-Forscher in ihrer Winterprognose: »Insgesamt können die positiven Wanderungssalden den alterungsbedingten Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials bis zum Jahr 2025 nicht kompensieren.« Im Klartext heißt das: Um den Arbeitskräftebedarf der deutschen Wirtschaft in den kommenden Jahren decken zu können, müssten weit mehr Migranten als bisher in die Bundesrepublik kommen. Bei der AfD wird man das ungern hören.

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