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Banken kassieren bei den Ärmsten

Basiskonto für Flüchtlinge

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

350 Euro für ein einfaches Basiskonto - diese skandalöse Geschäftspolitik der genossenschaftlichen Volksbank in Bremen wurde von der Verbraucherzentrale mit der »Goldenen Nase« belohnt. Das ist ein Preis für besonders »verbraucherunfreundliches Marktverhalten«. 350 Euro/Jahr sei im Vergleich zu anderen Anbietern nicht nur teuer, sondern »unsozial«.

In Deutschland müssen mehr als 670 000 Menschen ohne Konto leben. Was eine Teilhabe an einem normalen Alltagsleben unmöglich macht. Nicht mitgezählt sind die wohl über eine Million Flüchtlinge und Migranten, die in den letzten zwei Jahren nach Deutschland kamen. Doch ohne Bankverbindung ist es schwer, eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz zu finden, den Strom zu bezahlen, einen Handyvertrag abzuschließen oder im Internet etwas einzukaufen. Selbst der Bezug von Sozialleistungen wird erschwert.

Nach zwanzig Jahren des politischen Ringens hat seit dem 19. Juni europaweit jeder Mensch das Recht auf ein sogenanntes Basiskonto. Banken und Sparkassen sind nach dem Zahlungskontengesetz (ZKG) nun gesetzlich verpflichtet, jedem, der sich berechtigt in Europa aufhält, ein Girokonto in Deutschland einzurichten. Sie dürfen Verbraucher nicht mehr zurückweisen, nur weil sie obdachlos, arm oder verschuldet sind.

Nur was auf dem Konto ist

Das Basiskonto vereinigt alle Grundfunktionen eines normalen Girokontos: Kunden können Bargeld abheben, Überweisungen und Lastschriften tätigen oder mit der Girokarte (EC-Karte) bezahlen. Das Konto wird jedoch auf Guthabenbasis geführt - nur was auf dem Konto drauf ist, kann auch ausgegeben werden. Dispokredit oder Kreditkarte sind tabu.

Die Verbraucherzentrale Bremen hatte bereits vor dem Startschuss für das Basiskonto vor zu hohen Gebühren gewarnt. Nun zeigt sich, dass die Warnungen berechtigt waren. Auch eine im Oktober veröffentlichte Umfrage in Hamburg zeigte, dass der Grundpreis bis zu 9,50 Euro im Monat betragen kann. Dazu kommen dann möglicherweise noch Kosten für Buchungen, Überweisungen oder Girocard.

Anspruch und Wirklichkeit

Die schwarz-rote Bundesregierung hatte versäumt, festzulegen, was ein solches Konto für jedermann kosten darf. Im Paragrafen 41 des Zahlungskontengesetz heißt es lediglich, das Entgelt müsse »angemessen« sein.

In Deutschland haben sich vorwiegend zwei Entgeltmodelle für Girokonten herausgebildet: Entweder ist monatlich ein Pauschalentgelt fällig - oder neben einem geringen Grundpreis ist für einzelne Kontobewegungen zu zahlen.

Die mit der »Goldenen Nase« angeprangerte Bremische Volksbank eG vermischt beide Entgeltmodelle. Wer bei den Genossen ein Basiskonto beantragt, muss einen monatlichen Grundpreis (8,90 Euro) zahlen und zusätzlich schlägt jede einzelne Kontobewegung extra zu Buche. Was dies für einen Verbraucher bedeutet, der auf ein Basiskonto angewiesen ist, findet Annabel Oelmann, Vorstand der Verbraucherzentrale Bremen, »erschütternd«: Die Hilfe zum Lebensunterhalt vom Jobcenter für einen Monat würde fast komplett für die Kontoführung draufgehen.

»Diese Preispolitik ist frech«, sagt die Expertin Annabel Oelmann. Für viele Verbraucher - und das gilt besonders für Ausländer - komme hinzu, dass der Preis für das Jedermann-Konto intransparent ist. Gerade Flüchtlingen - und häufig dürfte das auch für ihre Betreuer gelten - können gar nicht einschätzen, was ihr Basiskonto übers Jahr tatsächlich kosten werde.

Es geht auch anders

Bremen und Hamburg sind keine Sonderfälle. »Basiskonten sind oftmals teurer als herkömmliche Konten«, hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin bei einer Stichprobe festgestellt. Nach seiner Auffassung verstoßen einige Kreditinstitute damit gegen das neu geschaffene Zahlungskontengesetz. Der Verband hat deshalb fünf Banken und eine Sparkasse abgemahnt (Deutsche Bank, Postbank, Targobank, Sparkasse Holstein, Volksbank Karlsruhe und BBBank). Sämtliche Institute wurden aufgefordert, zur Vermeidung einer Klage eine Unterlassungserklärung abzugeben.

Selbsthilfe ist also gefragt. »Wer ein Basiskonto braucht, sollte sich Zeit nehmen und Preise vergleichen«, rät Lovis Wambach, Rechtsexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Denn es geht auch anders. Einige Online-Banken wie ING-DiBa, DKB oder comdirect bieten Basiskonten gratis an. Viele Sparkassen und Genossenschaftsbanken verkaufen Basiskonten zumindest einigermaßen preisgünstig für etwa 4 Euro im Monat. Für minderjährige Flüchtlinge ist das Basiskonto beispielsweise bei der Bremer Landesbank kostenlos.

Wer schlechte Erfahrungen mit dem Basiskonto gemacht hat, kann sich an die Verbraucherzentrale Bremen wenden (basiskonto@verbraucherzentrale-bremen.de).

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