Berliner LINKE steht zu Andrej Holm

Baustaatssekretär entschuldigt sich bei Stasi-Opfern / Missbilligungsantrag der Opposition scheitert

  • Martin Kröger und Ellen Wesemüller
  • Lesedauer: 4 Min.

Der umstrittene Baustaatssekretär Andrej Holm hat Opfer des DDR-Geheimdienstes um Verzeihung gebeten. Wenn in den vergangenen Wochen durch »unsensible Wortwahl oder unangebrachte Vergleiche« der Eindruck entstanden sei, er wolle erlittenes Unrecht relativieren, wolle er klarstellen: »Das lag nicht im Entferntesten in meiner Absicht und ich möchte mich dafür entschuldigen.« Das schreibt Holm in seiner am Freitag veröffentlichten Erklärung für die Humboldt-Universität (HU).

Darin erklärte er noch einmal, keine bewusste Falschaussage über seine Ausbildung beim Ministerium für Staatssicherheit gemacht zu haben. Er habe sich beim Ausfüllen des Personalbogens auf seine Erinnerung verlassen. Er hatte verneint, hauptamtlicher Mitarbeiter der Stasi gewesen zu sein. Dass er doch als solcher galt, wurde ihm nach eigener Aussage erst vor wenigen Wochen beim Lesen seiner Stasi-Akte klar.

Des Weiteren wolle er keinen Auflösungsvertrag mit der HU unterzeichnen, wie er dies zunächst erwogen habe. Grund seien die »Diffamierungen und Verwürfe«, die öffentlich gegen ihn vorgebracht worden seien. Deshalb wolle er neben der politischen Entscheidung auch eine arbeitsrechtliche Klärung. Die Universität teilte daraufhin mit, ihre Entscheidung am kommenden Mittwoch bekanntzugeben.

Von einem Rücktritt als Staatssekretär ist in der Erklärung keine Rede, stattdessen spricht Holm vom »Aufbruch« zu einer Verantwortung für die Gestaltung der Wohnungspolitik. Er brauche dafür »klare politische Rückendeckung«.

Unterstützung erhielt der parteilose Staatssekretär, der auf dem Ticket der Linkspartei in den Senat eingezogen war, dann auch von der Berliner Linkspartei. Einen entsprechenden Beschluss, sich hinter Holm zu stellen, fasste der Landesverband der Sozialisten am Freitag auf seiner Klausurtagung. »Wir waren immer der Auffassung, dass es eine politische Entscheidung geben muss«, sagte Katina Schubert, Landesvorsitzende der Linkspartei, dem »nd«. Schubert sagte: »Wir stehen zu Andrej Holm.« Dessen Erklärung sei mit der Partei abgestimmt gewesen.

Von dem Parteibeschluss unabhängig steht die Entscheidung des gesamten rot-rot-grünen Senats weiter aus. Fraktionschef Udo Wolf sagte dem »nd«, der Plan sei weiterhin, »alles intensiv zu diskutieren und zu betrachten«. Danach werde Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) eine Stellungnahme für den Senat zu Holm verfassen. »Wir haben das Interesse, dass es eine Entscheidung gibt«, sagte Wolf. Die Erklärung Holms bewerte er als »gute und richtige Klarstellung«.

Rückendeckung bekam Holm am Freitag zudem auch aus der Bundesspitze der Linkspartei. Der 46-jährige Holm sei in seiner Kritik am Unrecht in der DDR immer sehr klar gewesen, habe niemanden ausspioniert und stehe für einen mietenpolitischen Kurswechsel, sagte die Bundesvorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, der »Berliner Zeitung«. »Deshalb ist er eine großartige Besetzung für das Amt.«

Die Opposition war am Donnerstag mit zwei Anträgen zum Fall Holm im Plenum gescheitert. Die CDU wollte den Senat per Parlamentsbeschluss auffordern, »keine Personen, die direkt oder indirekt mit dem Sicherheitssystem der DDR zusammengearbeitet haben«, in Regierungspositionen zu entsenden. Gleichwohl wollten SPD, Linkspartei und Grüne in Berlin nicht darüber abstimmen. Der Antrag wurde daraufhin mit Koalitionsmehrheit in den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses überwiesen, wo er erneut besprochen werden soll. So wurde auch mit einem FDP-Antrag verfahren, die Nominierung Holms für den Senat zu missbilligen. Am Freitag erneuerte die FDP ihre Kritik. Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja sagte: »Dass Andrej Holm nach wie vor eine persönliche Schuld nicht eingesteht und sich weiter auf Erinnerungslücken beruft, ist eines ›kritischen Wissenschaftlers und Hochschullehrers‹, wie er sich selbst beschreibt, einfach nicht würdig.«

Der Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, hat die Entschuldigung Holms zurückgewiesen. Nach wochenlanger Diskussion sei das unglaubwürdig und wirke nur noch »wie ein taktischer Winkelzug«.

Die Ernennung des Baustaatssekretärs überschattet seit Wochen den Start der rot-rot-grünen Koalition. Insbesondere bei den Sozialdemokraten gibt es wegen Holms Umgang mit den Stasi-Vorwürfen weiterhin große Vorbehalte gegen seine Ernennung durch die Bausenatorin.

In dieser Woche waren aber auch über 15 000 Unterschriften für den Verbleib Holms im Senat überreicht worden. Insbesondere stadtpolitische Initiativen verbinden mit der Personalie des Stadtforschers die Hoffnung auf einen Politikwechsel im wohnungspolitischen Bereich und bei den rasant steigenden Mieten. Die Erklärung der Berliner LINKE nimmt darauf Bezug: »Das ist für uns ein klares Zeichen, dass Andrej Holm in der aktiven Stadtgesellschaft große Unterstützung genießt und damit auch eine Stadtentwicklungspolitik befürwortet wird, die unsere Partei mit Andrej Holm als Staatssekretär voranbringen will.«

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