Lange Lebenslinien Richtung Karlshochschule

Eine badische Privatuniversität bekommt eine Präsidentin ohne offiziellen Studienabschluss - und gerät in die Kritik

  • René Heilig, Karlsruhe
  • Lesedauer: 2 Min.

»Es gibt schon mehr als genug Menschen, die auf die übliche Art denken und handeln«, heißt es auf der Website der Karlshochschule International University. Die private Hochschule in Karlsruhe (Baden-Württemberg) spart nicht mit Eigenlob: »Aufbauend auf den besten Methoden und Konzepten für Theorie und Praxis lernst du, die aktuellen Gegebenheiten kritisch zu reflektieren und außergewöhnliche Lösungen für die komplexen Probleme der modernen, globalisierten Welt zu finden.«

Das Versprechen gilt nicht nur für die rund 600 Studierenden an zwei Fakultäten. Keine Schmalspur-Karrieristen will die Karlshochschule ausbilden, sondern Führungskräfte mit dem Blick fürs Ganze, auch für ihre gesellschaftliche Verantwortung. »Persönlichkeitsentwicklung« spielt im Leitbild eine zentrale Rolle. Besonders willkommen sind denn auch Studenten, die sich schon ehrenamtlich engagiert haben.

Einer dieser neuen kreativen Wege sorgt nun dafür, dass die Bildungsstätte in Kritik geriet, etwa in der »Stuttgarter Zeitung«. Anlass ist die Grünen-Politikerin Eveline Lemke. Seit Jahresbeginn arbeitet sie ehrenamtlich an der Universität, zum 1. April 2017 hat man sie zur neuen Präsidentin berufen.

Lemke war in Rheinland-Pfalz Wirtschaftsministerin und Vizeministerpräsidentin - bis ihre Partei im Frühjahr 2016 ein übles Wahlergebnis einfuhr. Doch: »Die langen Linien meines Lebens haben mich zur Karlshochschule getragen«, schrieb die Mainzer Abgeordnete im Dezember und auch, dass sie sich wahnsinnig freue, das neue Amt in Karlsruhe anzutreten. In Lemke gewinne man eine »erfahrene Persönlichkeit«, die zum Profil der Institution als Heimat für »Grenzgänger und Querdenker« passe. Die Uni findet, dass Lemke in höchstem Maße geeignet sei, Brücken zwischen Hochschule und Gesellschaft zu bauen. Bis dahin spielte es keine Rolle, dass die 52-Jährige selbst über kein abgeschlossenes Studium verfügt. Das wäre aber laut Satzung notwendig, um als Präsidentin Verantwortung zu übernehmen. Zwar studierte die Präsidentin an der Universität Hannover. Doch nur bis zum Vordiplom. Später versuchte sie sich mit der Fernuniversität Hagen wirtschaftswissenschaftlich fit zu halten.

Neid und Missgunst gibt es überall, warum nicht auch in Karlsruhe. Was sagt die grün-schwarze Landesregierung dazu? Hochschulen in privater Trägerschaft hätten andere gestalterische Spielräume und unternehmerische Freiräume als staatliche, hieß es laut »Stuttgarter Zeitung« aus dem Wissenschaftsministerium. Das wird von Theresia Bauer, einer Parteifreundin Lemkes, geleitet.

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