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Deutschland nimmt Belarussen auf

Inhaftierte Politiker kamen durch Vermittlung der USA frei

Wiktar Babaryka (2. v. l.) und Maryja Kalesnikawa (2. v. r.) schildern in Kiew die Eindrücke von ihrer Entlassung aus belarussischen Lagern.
Wiktar Babaryka (2. v. l.) und Maryja Kalesnikawa (2. v. r.) schildern in Kiew die Eindrücke von ihrer Entlassung aus belarussischen Lagern.

Das erste Mal seit Jahren sei er mit Samthandschuhen angefasst worden, schildert der Menschenrechtler und Friedensnobelpreisträger Ales Bjaljazki seine vorerst letzte Erfahrung mit belarussischen Sicherheitsorganen. Um 4 Uhr morgens wurde Bjaljazki geweckt, mit verbundenen Augen in ein Auto gesetzt und an die Grenze zu Litauen gebracht. Dort, so schildert er es auf der Homepage der Menschenrechtsgruppe Wjasna, konnte er zum ersten Mal nach drei Jahren mit seiner Frau telefonieren, die ihn 17 Uhr in der litauischen Hauptstadt Vilnius empfing.

Bjaljazkij gehört zu den 123 politischen Gefangenen, die der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko für viele überraschend begnadigt und anschließend aus den Gefängnissen entlassen hatte. Zu den weiteren prominenten Namen zählen Wiktar Babaryka, der 2020 gegen Lukaschenko bei der Präsidentschaftswahl antreten wollte, und Maryja Kalesnikawa, die nach Babarykas Verhaftung in den Wahlkampf eingestiegen und ebenfalls in einer Strafkolonie gelandet war.

USA heben im Gegenzug Sanktionen auf

Als Gegenleistung für die Freilassung der Inhaftierten hoben die USA mehrere Sanktionen gegen Belarus auf, unter anderem gegen das Unternehmen Belaruskali, das für den Export und damit Einnahmen für das Land extrem wichtig ist. In den kommenden Monaten könnten weitere 1000 Menschen freikommen, kommentierte der US-Sondergesandte John Cole den Fortschritt der Verhandlungen.

Wie die meisten der jetzt Freigelassenen wurden Babaryka und Kalesnikawa durchaus überraschend in die Ukraine gebracht. Sie sei »im siebten Himmel«, endlich frei zu sein, sagte Kalesnikawa in den ARD-»Tagesthemen« am Sonntagabend. Erst am Samstagmorgen habe sie von ihrer bevorstehenden Freilassung erfahren, erzählte Kalesnikawa. »Bis zum letzten Moment habe ich das nicht geglaubt.« Nun sei sie »unglaublich froh«, in Kürze ihre Familie und Freunde umarmen zu können. Bei einer Pressekonferenz in Kiew dankte sie neben US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Staatschef überraschend auch Lukaschenko, der die Freilassung ermöglicht hatte.

Selenskyj versucht Belarussen für sich einnehmen

Propagandistisch war insbesondere Selenskyj bemüht, die Freilassung als seinen Erfolg zu verkaufen. In seinen Social-Media-Kanälen postete er Fotos, die ihn beim Schauen der Pressekonferenz zeigen, und bedankte sich für die warmen Worte über sein Land. Dabei hatten die Belarussen gar nicht so sehr für die Ukraine geschwärmt, wie Selenskyj glauben machen wollte. Babaryka forderte die Verurteilung von Kriegsverbrechen, egal welches Land sie begeht. Fragen zu Belarussen, die für die Ukraine kämpfen, gingen hingegen alle aus dem Weg.

Zur Zukunft wollten sich die Freigelassenen zunächst nicht äußern. Für Babaryka und Kalesnikawa könnte die aber in Deutschland liegen. Man wolle die beiden aufnehmen, sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt im ARD-»Bericht aus Berlin«. »Wir haben ein großes Interesse daran, dass diese Demokratiebewegung, auch wenn sie sich außerhalb von Weißrussland jetzt weiterentwickeln muss, gestärkt wird«, sagte Dobrindt.

Dem russischen Dienst der BBC bestätigte Kalesnikawas Schwester, dass sie für den Umzug nach Deutschland bereit sei. Sobald klar sei, wie sie und Babaryka nach Deutschland kommen können, wollten sie sich auf den Weg machen. In den kommenden Tagen soll es so weit sein.

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