Mifa geht die Luft aus

Sangerhausens traditionsreicher Radhersteller kann Finanzloch nicht stopfen - Sanierung in Eigenregie gescheitert

  • Franziska Höhnl, Sangerhausen
  • Lesedauer: 3 Min.

Das etwa 30 000 Einwohner zählende Sangerhausen im Südwesten von Sachsen-Anhalt liegt in einer strukturschwachen Region. Hier herrscht eine der höchsten Arbeitslosenquoten Deutschlands. Ein wichtiger Arbeitgeber ist der traditionsreiche Fahrradhersteller Mifa. Doch der trudelt. Schon wieder. Knapp zwei Jahre nach der Insolvenz muss der Betrieb mit 530 Mitarbeitern erneut gerettet werden. Eine erst vor wenigen Tagen anvisierte Sanierung in Eigenregie ist wegen fehlender liquider Mittel gescheitert, verkündet der neue Geschäftsführer Joachim Voigt-Salus am Mittwoch. Der Gang in ein neues Insolvenzverfahren ist unausweichlich. Dabei schien das Fahrwasser lange Zeit ruhig zu sein. Nachdem der erfahrene Unternehmer Heinrich von Nathusius 2015 Mifa aus der Pleite rettete, steckte er hohe Ziele: Das kostengünstigste Fahrradwerk Europas sollte Mifa werden. Räder nach individuellen Wünschen sollten geordert werden können, skizzierte von Nathusius seine Vision. Dazu sollte das Geschäft mit Großkunden wie Peugeot und Discounterketten für Umsatz sorgen.

Aufträge mit einem Volumen von 40 Millionen Euro kamen zusammen. Der neue Eigentümer errichtete ein neues 17 Millionen Euro teures Werk am Stadtrand von Sangerhausen. Ende 2016 begannt der Umzug der Produktion. Kurz darauf die Hiobsbotschaft: Das Geld fehlt. Trotz einer Zwischenfinanzierung durch die Gesellschafter reichten die Mittel nicht, um wichtige Teile für die Frühjahrsfertigung zu ordern. Der Umzug stockt. Die Mitarbeiter bekamen schon im Dezember kein Geld mehr, wie Voigt-Salus berichtet.

Dann der nächste Rettungsversuch: Zunächst wird Voigt-Salus als neuer Geschäftsführer bestellt, um Mifa in Eigenverwaltung zu sanieren. Noch am Dienstag erklärt Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) den Erhalt zur obersten Priorität. Zwei Staatssekretäre seien federführend in laufende Gespräche eingebunden, um die Zahlungen an Lieferanten sicherzustellen. Das Land ist selbst finanziell involviert, hatte für die vorherige Mifa-Rettung eine Landesbürgschaft gegeben und den Werksneubau mit 2,85 Millionen Euro unterstützt. Nur einen Tag nach Haseloffs Erklärung jedoch sind die Pläne hinfällig.

»Es war die übereinstimmende Meinung, dass es ein bilderbuchmäßiges Beispiel für eine Eigenverwaltung werden kann«, sagt Geschäftsführer Voigt-Salus. Alle Beteiligten hätten an einem Strang gezogen. »Wir hätten im Februar durchstarten und alle Zusagen an die Großkunden einhalten können.« Bis zuletzt schien es, so der Geschäftsführer, als kämen die nötigen elf Millionen Euro zusammen. Fast die Hälfte war von den Gesellschaftern zugesagt. Doch am Samstag zogen sie laut Voigt-Salus zurück - der letzte Termin für eine rechtzeitige Order der Fertigungsteile verstrich.

Voigt-Salus rechnet damit, dass Großkunden nun ihre Verträge wegen der Verzögerung lösen. Um Mifa werde weiter gekämpft, betont der Geschäftsführer. Aber im Zuge des Insolvenzverfahrens könnten wahrscheinlich nicht alle Jobs erhalten werden. Mifa werde Lagerbestände günstig verkaufen, um wieder an Geld zu kommen. Zudem liefen Gespräche mit Großkunden, um Aufträge noch zu retten. Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) erklärte, das Land habe alles rechtlich Mögliche getan, um eine tragfähige Lösung zu finden, und werde Mifa weiterhin unterstützen.

»Die Beschäftigten sind wütend und enttäuscht«, heißt es von der Gewerkschaft IG Metall. »Wir sehen im Verhalten der Eigentümerfamilie Nathusius einen massiven Wortbruch.« Ist der einstige Retter jetzt das Problem? Heinrich von Nathusius weist das zurück. »Wir sind weiterhin interessiert daran, eine sinnvolle Lösung zu begleiten«, sagt er. »Aber das kann nicht die alleinige Angelegenheit der Gesellschafter sein.« Monatelang habe er nichts von der CDU/SPD-Landesregierung und der Investitionsbank gehört, moniert er. In den jüngsten Gesprächen habe sich keine befriedigende Lösung gezeigt. »Deswegen haben wir entschieden: Erstmal nicht weiter.«

Bei Mifa soll nun erneut ein alter Bekannter das Ruder übernehmen: Der Insolvenzverwalter Lucas Flöther aus Halle soll nach Wunsch der Gläubiger vom Gericht bestellt werden. Er hatte den Betrieb bereits vor zwei Jahren gerettet. dpa/nd

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