Europäer wollen zum Mond - doch womit?

ESA will Raumstation 2007 stärker nutzen, doch fehlt ein effektiver Transporter für Astronauten

  • Hartmut E. Sänger
  • Lesedauer: ca. 3.5 Min.
2007 soll für die Europäische Raumfahrtagentur ESA ein gutes Jahr werden: Drei Europäer fliegen laut Planung zur Internationalen Raumstation ISS, das westeuropäische Modul »Columbus« für die ISS soll endlich von einer US-Raumfähre in den Orbit gebracht werden und der unbemannte Transporter ATV wird erstmals fliegen. Doch sowohl für die intensivere Nutzung der Raumstation als auch für die hochfliegenden Pläne einer bemannten Mission zum Mond oder gar Mars fehlt den Europäern ein eigenes Transportmittel für die Astronauten. Überdies wollen die USA bis 2010 ihre Raumfähren stilllegen. Deshalb rief bereits im Sommer vorigen Jahres ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain die Mitgliedsländer auf, 30 Millionen Euro für ein zusätzliches Raumfahrtbudget bereitzustellen. Innerhalb von zwei Jahren soll ein bemanntes Raumtransportsystem überlegt werden. 2008 soll die ESA-Ministerratskonferenz dann über dessen Bau beschließen. Potenzielle Partner dabei wären neben der Russischen Föderation vor allem die Japaner. Nachdem die USA eine europäische Mitarbeit am CEV, dem inzwischen »Orion« genannten neuen amerikanischen Raumtransportsystem, abgelehnt hatten, wandte sich der ESA-Vorstand verstärkt dem bemannten Raumfahrtprogramm der Russischen Föderation zu. Doch bei der ESA-Ministerratskonferenz Ende 2005 in Berlin lehnten die Minister eine finanzielle Beteiligung am russischen Raumtransporter »Klipper« ab. Der neue ESA-Vorschlag heißt »Crew Space Transportation System« (siehe Grafik) und ist im Wesentlichen eine rückkehrfähige Kapsel auf Basis der heutigen russischen »Sojus«. Das Kapseldesign soll sich anders als der mit Stummelflügeln ausgestattete »Klipper« auch für die Rückkehr von Mondflügen eignen. Zusammen mit dem Wohn- und Gerätemodul könnte die Landekapsel jeweils vier Raumfahrer zur ISS oder bis zum Erdmond bringen. Cristian Bank vom Bremer Raumfahrtunternehmen Astrium sieht den möglichen Beitrag der ESA zum CSTS in neuer Steuerelektronik sowie -software. Denkbar sei auch ein komplett überarbeitetes Modul - größer und leichter als das russische Vorbild -, bei dem die Westeuropäer auf den Erfahrungen mit »Columbus« und ATV aufbauen könnten. Damit hofft die ESA-Spitze alle Wünsche der Mitglieder berücksichtigt zu haben. Frankreich könnte so von Kourou aus bemannte Träger starten, die brachliegenden Entwicklungskapazitäten von »Columbus« und ATV würden reaktiviert, man könnte sich an den Mondplänen der USA und Chinas mit eigner Technik beteiligen und nicht zuletzt würde die russische Raumfahrtindustrie beschäftigt. Raumfahrtexperte Bank erwartet erst nach 2015 ein von Grund auf neues Transportsystem. Wie alle ESA-Programme steht und fällt CSTS mit der Finanzierung durch die Mitgliedsländer. Doch die geben Geld immer mit Blick auf die Förderung eigener Entwicklungs- und Produktionsstandorte. Das zeigt gleichzeitig typische Grenzen auf, innerhalb denen künftige Planungen stattfinden können. Der jetzt vorgeschlagene Weg würde aber notgedrungen ähnlich aufwändig wie das derzeitige US-Konzept. In der NASA werden die Kosten einer einzelnen Mondmission mit dem »Orion«-System inzwischen auf vielleicht fünf Milliarden Dollar geschätzt. Das ist fast doppelt so viel wie ein ESA-Jahresbudget. Angesichts der chronisch klammen Mitgliedsländer scheint ein eigenständiger Mondflug der Westeuropäer damit recht unwahrscheinlich. Zumal die technisch und kostenmäßig zuweilen wünschenswerte Vergabe der Entwicklungs- und Bauaufträge außerhalb des Proporzes der ESA-Beitragszahlungen im Widerspruch zu den ESA-Statuten stünde. Denn nach bisherigen Erfahrungen müssten die Kosten großteils von den westlichen Beteiligten getragen werden. Schon »Klipper« musste aufgeschoben werden, weil die russische Raumfahrtatgentur ROSCOSMOS für zwei Drittel der zu dessen Entwicklung benötigten Milliarde Dollar keine Geldgeber gefunden hatte. Inzwischen plant die ESA zwar eine 16 Millionen Euro schwere Projektstudie für CSTS, ein Mondlandegerät gehört allerdings noch lange nicht zum Projekt. 2008 will die ESA dem europäischen Ministerrat eine Vision vorlegen, die der europäischen Raumfahrt ein überzeugendes Ziel vorgibt und letztlich auch die ESA selbst rechtfertigt. Es wird dazu nicht ausreichen, neue Budgets zu reklamieren, auch die ESA selbst wird sich bewegen müssen! Das Geld wird künftig nicht mehr werden und Europas Option besteht alleine darin, Aufgaben intelligenter zu lösen. Genauso wie nach der im vergangenen Jahr erfolgten Aufgabe der Doppelspitze des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS steht auch die ESA unter französischer Führung. Und da stellt sich vor allem in Deutschland die Frage nach einem den eingebrachten Steuermitteln entsprechenden Engagement. Dass Berlin die seit langem anhaltende passive Rolle im Raumfahrtgeschehen beendet...

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