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Die künstlerische Freiheit ist süß und bitter

Ein Drittel der Theaterbesuche im Land Brandenburg entfällt auf die freien Bühnen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

»Auch wir sind professionelle Theater.« Die Vorsitzende des Landesverbandes Freier Theater Sabine Chwalisz wollte sich mit ihrer Klientel nicht auf einen künstlerischen Gegensatz zu »den professionellen Städtischen Bühnen« bringen lassen. Bei einer Pressekonferenz in der Potsdamer Staatskanzlei am Mittwoch wurde Chwalisz von Kulturministerin Martina Münch (SPD) unterstützt. Die rund 30 freien Theater im Land setzen »mit ihren kreativen, oft leidenschaftlichen Inszenierungen und Events immer wieder spannende kulturelle und gesellschaftliche Akzente«, sagte Münch. Diese Bühnen tragen »ganz wesentlich dazu bei, dass regionales künstlerisches Leben und kulturelle Bildung gestärkt werden«. Die Ministerin lobte die autonome Arbeit und enorme Flexibilität der freien Ensembles beim Reagieren auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen. Ein Drittel aller Theaterbesuche in Brandenburg entfällt laut Statistik auf die freien Bühnen.

»Die Welt ist in Gefahr. Die Rettung naht - aus Eberswalde.« Die Dramaturgin des dortigen Kanaltheaters Katja Kettner legte dar, wie sich ihre Theatertruppe um das zeitgenössische Thema Flucht und Vertreibung kümmert. »Gulliver unter uns« heißt das einschlägige Stück.

Der Notwehrexzess des Gerechtigkeitsfanatikers Michael Kolhhaas wird nicht nur vom Kanaltheater, sondern auch vom Theater 89 inszeniert - und zwar am Originalschauplatz Jüterbog. Dort lebte der historische Kohlhaas.

»Der Brandenburger braucht kein Theater«, stellte Geschäftsführer Hans-Joachim Frank deprimiert fest. Er schränkte dann aber ein: Nach Potsdam lasse sich der Märker nicht ohne Weiteres locken, spiele man jedoch auf seinem Marktplatz, komme er ganz gern vorbei. Unter anderem auch die freien Bühnen müssten künstlerische Bedürfnisse wecken, »die ansonsten nicht da sind«.

Die Puppenbühne »Theater des Lachens« in Frankfurt (Oder) begeht im laufenden Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Mit der Inszenierung »Don Quichote« habe man es bis nach Spanien gebracht, in die Herkunftslandschaft der Figur des Ritters La Mancha. Das Ensemble sah sich dort als Botschafter für die Stadt Frankfurt (Oder), aber auch für das Land Brandenburg, sagte Theatermann Björn Langhans.

Theater muss man sich heute leisten können. Das gilt nicht nur für die Zuschauer, sondern auch für die Schauspieler. Natürlich werden Förderanträge häufig abgelehnt. »Wir hoffen auf eine langfristige Finanzierung«, sagte Dramaturgin Kettner. »Wir arbeiten am unteren Lohnniveau«, bestätigte Langhans. Ihm zufolge spornt das allerdings die Kreativität an. Nur mit hochwertiger Arbeit könnten sich Künstler sozusagen sehen lassen und sich weitere Einkommensmöglichkeiten erschließen.

Verbandsvorsitzende Chwalisz blickte vergleichend auf die Bedingungen an den staatlich geführten großen Häusern und verwies auf das anzustrebende Ziel »gleicher Lohn für gleiche Arbeit«. Dennoch sei das Verhältnis zu den privilegierten Bühnen gut, schätzte sie auf die Frage hin ein, ob hier eine Konkurrenzsituation und der Kampf um die Zuschauer bestimmend seien. »Die künstlerische Auseinandersetzung findet auf der Bühne statt. Und da brauchen wir uns nicht zu verstecken.«

Im Land Brandenburg erhalten sechs freie Theater einen Jahreszuschuss von insgesamt 770 000 Euro, darunter die Potsdamer Truppe Poetenpack. Zusätzlich fließen 230 000 Euro in die Projektforderung von elf weiteren Bühnen. Im laufenden Jahr sei diese Summe noch einmal um 350 000 Euro aufgestockt worden, erläuterte Ministerin Münch. Sie lehnte es ab, die staatlich subventionierte und die freie Schauspielkunst gegeneinander auszuspielen. »Das ergänzt sich.« Das »Reich« der freien Künste sei der Marktplatz in Orten, »wo es keine feste Bühne gibt«.

Die Landtagsabgeordnete Marie Luise von Halem (Grüne) lobte, die Ministerin bewege sich »in die richtige Richtung«. Die Erhöhung der Zuschüsse für die freien Theater um 350 000 Euro »sollte aber nur der erste Schritt sein«, meinte von Halem. Sie verwies auf den Vorschlag ihrer Fraktion, die Förderung um zwei Millionen Euro aufzustocken.

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