Rente für alle Erwerbstätigen

Neues Konzept soll für höhere Beitragseinnahmen sorgen

Mit einer Erwerbstätigenversicherung wollen Sozialverband Deutschland, Volkssolidarität und Gewerkschaften das Rentensystem stabilisieren.

Die Finanzlage der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ist seit Jahren angespannt. Während die Politik entsprechend neoliberalen Forderungen die Leistungen immer mehr zusammenstreicht, fordern Linke und Sozialverbände eine Verbesserung der Einnahmen. Aus ihrer Sicht brechen der GRV die Beiträge vor allem wegen der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt weg. Das liegt nicht nur an der hohen Arbeitslosigkeit, sondern auch daran, dass immer mehr Erwerbstätige - vor allem Selbstständige, Praktikanten und Mini-Jobber - keiner oder nur einer unzureichenden Versicherungspflicht unterliegen. Und eine private Altersvorsorge können sich viele schlicht nicht leisten. Die Folge ist eine unzureichende Einkommenssicherung im Alter. Laut dem Präsidenten der Volkssolidarität, Gunnar Winkler, haben inzwischen 47 Prozent der Selbstständigen im Osten und 28 Prozent im Westen ein Nettoeinkommen unter 1100 Euro. Dies sei auch eine Folge der Arbeitsmarktpolitik, die mittels Überbrückungsgeld und im Rahmen der Ich-AG auf Zuschüsse zur Gründung von Ein-Personen-Betrieben gesetzt hat. Um diese Personengruppen ins Solidarsystem zu integrieren und gleichzeitig die Einnahmen der Rentenversicherung zu stärken, schlagen die Volkssolidarität, der Sozialverband Deutschland sowie mehrere Gewerkschaften die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung vor. Laut dem SoVD-Präsidenten Adolf Bauer ist die »historisch gewachsene Trennung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern und nicht sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen überholt«. Das Konzept wurde in einem Zeitraum von einem guten halben Jahr von einer Expertengruppe der beiden Sozialverbände sowie des DGB, von IG BAU, IG Metall und ver.di erarbeitet. Die Einbeziehung aller Erwerbstätigen in die GRV soll danach in zwei Etappen erfolgen. Zunächst sollen geringfügig Beschäftigte, Politiker und die rund drei Millionen Selbstständigen, die bisher keiner Versicherungspflicht unterliegen, aufgenommen werden. Für Mini-Jobber würde dies eine Erhöhung des ermäßigten Beitragssatzes von aktuell 15 Prozent auf den allgemeinen Satz (derzeit: 19,9 Prozent) bedeuten. Langfristig sollen dann auch die restlichen rund 1,3 Millionen Selbstständigen mit bereits berufsständischer Altersversorgung, vor allem Freiberufler, und auch Beamte in die GRV einbezogen werden. Aus Gründen des Vertrauensschutzes soll dies aber nur für neu ins Berufsleben tretende Personen gelten. Das Konzept der Erwerbstätigenversicherung würde in der Praxis einige Fragen aufwerfen. Die Einbeziehung neuer Personengruppen dürfte die Rentenkassen zunächst stabilisieren - die Experten rechnen mit jährlichen Mehreinnahmen von 13,5 Milliarden Euro. Da dadurch aber auch Rentenansprüche entstehen, hätte die GRV langfristig auch deutlich höhere Ausgaben. DGB-Sozialexpertin Annelie Buntenbach weist darauf hin, dass viele Betroffene nach jetziger Rechtslage auf Altersarmut und den Bezug von Hartz IV zusteuern, was staatliche Sozialausgaben erforderlich machen würde. Unklar bleibt, wie sich die Betroffenen mit geringen Einnahmen die Beiträge zur GRV leisten sollen. Dem Konzept zufolge könnte bei einigen Selbstständigen eine von den Auftraggebern zu entrichtende Abgabe den Arbeitgeberbeitrag ersetzen. Nicht ganz einig waren sich die Beteiligten über die Frage, ob nicht im Rahmen einer Bürgerversicherung auch Kapitaleinkünfte einer Beitragspflicht unterliegen sollten; dies forderten Experten der IG BAU. Für SoVD-Präsident Bauer ist dies jedoch »systemwidrig«, da die Rente lediglich ein Ersatz für ausbleibende Erwerbseinkommen ist und Kapitaleinkünfte auch im Alter fließen. DGB-Vorstand Buntenbach schlägt vor, Wohlhabende über eine angemessene Besteuerung »stärker ...

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