Im Weltraum droht eine Waffenflut

Vor 40 Jahren wurde der Vertrag zur ausschließlich friedlichen Nutzung des Kosmos signiert / USA forcieren Militarisierung des Alls und provozieren Wettrüsten

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: ca. 5.0 Min.

Vor 40 Jahren, am 27. Januar 1967, wurde der Weltraumvertrag unterzeichnet, der eine friedliche Nutzung des Alls sichern und die Ausdehnung des irdischen Wettrüstens auf den Kosmos verhindern soll.

Nach eigenen Angaben hat China vor einigen Tagen vom südwestchinesischen Raumfahrtbahnhof Xichang aus mit einer bodengestützten Mittelstreckenrakete seinen veralteten Wetter-Satelliten »Feng Yun-1C« in rund 850 km Höhe abgeschossen. Dieser Test einer Anti-Satelliten-Waffe löste internationale Besorgnis aus, denn er gefährdet nicht nur die friedliche Nutzung des Weltraums, sondern kündet auch von einem bereits begonnen Wettrüsten im All. Der Vorwurf aus Washington aber, das sei nicht vereinbar mit dem Geist der Zusammenarbeit beider Ländern in der zivilen Raumfahrt, ist pure Heuchelei. Die USA selbst haben bereits vor Jahren derartige Versuche unternommen, und die seither forcierte Aufrüstung im Weltall hat das chinesische Nachziehen geradezu provoziert.

Gefährliche Lücken im Abkommen
Vor 40 Jahren wurde der Weltraumvertrag zur friedlichen Nutzung des Weltalls unterzeichnet. Zwar zählt das Abkommen inzwischen rund 100 Mitgliedstaaten, aber sein Ziel ist gefährdeter denn je. Das liegt zum einen daran, dass das Abkommen nicht alle Waffen im All verbietet, sondern lediglich Massenvernichtungswaffen. Somit weist das Völkerrecht gefährliche Lücken auf, die zukünftig mit präzisionsgesteuerten Hightech-Waffen gefüllt werden könnten. Denn die USA streben durch ein gigantisches Aufrüstungsprogramm mit aller Macht nach einer uneingeschränkten Dominanz im Weltraum. Sollte es also nicht gelingen, das bestehende Rechtssystem zu erhalten und die juristischen Schlupflöcher zu schließen, droht ein kosmischer Rüstungswettlauf von bisher nicht gekanntem Ausmaß.
Die Bush-Regierung hat ihren Alleinvertretungsanspruch für das Weltall in einer »New National Space Policy« unmissverständlich begründet: »Aktionsfreiheit im Weltraum ist genauso wichtig wie die Macht auf See und in der Luft«, heißt es in dem Dokument. »Die nationale Sicherheit der USA hängt entscheidend von den Ressourcen im Weltraum ab, und diese Abhängigkeit wird noch steigen.« Deshalb lehnten die USA jegliche völkerrechtlichen Verträge ab, die ihnen den Zugang oder die Nutzung des Kosmos einschränken könnten. Sie werden Vereinbarungen in diesem Bereich nicht zustimmen, wenn diese »das Recht auf Forschung, Entwicklung, Tests und andere Aktivitäten im Weltall für die Interessen der USA« behindern. Die Vereinigten Staaten reklamieren die uneingeschränkte Lizenz »zu handeln, um ihre Aktivitäten zu schützen« und Gegner »abzuschrecken«. Der Anspruch läuft nach Meinung von Experten des rüstungskritischen Stimson-Center in Washington auf die Stationierung von Weltraumwaffen hinaus. »Das liest sich wie eine Blaupause für die Weiterentwicklung von Weltraumsystemen«, befürchtet auch Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

Bewaffnete Satelliten über der Erde
Ausdrücklich beauftragt die Weltraumdoktrin das Pentagon, »Ressourcen, Pläne und Optionen zu entwickeln, um die Aktionsfreiheit im All sicherzustellen und, falls nötig, Feinden diese Aktionsfreiheit zu verwehren«. Dabei wird stillschweigend auch das nationale Raketenabwehrsystem eingeschlossen, dessen Elemente zumindest teilweise im Weltraum stationiert werden sollen. Denn Verteidigungsaktivitäten und geheimdienstliche Tätigkeit im Orbit seien mit dem Prinzip »friedliche Absichten« durchaus vereinbar, wird behauptet.
Entsprechend den Vorstellungen von Vize-Verteidigungsminister Kenneth Krieg entsteht im Weltraum eine militärische Teststätte und bereits nächstes Jahr sollen bis zu fünf bewaffnete Satelliten angeblich zu Erprobungszwecken ins All geschossen werden. Außerdem ist vorgesehen, bis 2010 Radiowellen-Energiewaffen im Kosmos zu platzieren, die von Himmelskörpern aus feindliche Satelliten und Kommunikationssysteme stören oder vernichten können. Federführend bei der Erforschung von Laserwaffen ist das Directed Energy Directorate der US Air Force auf dem Kirtland-Luftwaffenstützpunkt in Albuquerque, im Bundesstaat New Mexico. Nach Informationen des Online-Dienstes »Spacedaily« erprobte Lockheed Martin bereits an Bord einer Boeing 747 das Feuerleitsystem für einen hochenergetischen Laser, der aus der Luft ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpfen kann. Für die Zeit nach 2015 sollen Kampfflugzeuge dann mit Anti-Satelliten-Raketen ausgerüstet werden.
Der Weltraum wird von den im Kosmos aktiven Staaten schon immer auch militärisch genutzt, z.B. für Spionage-, Navigations- und Kommunikationssatelliten. Doch nun brechen die USA das bisherige Tabu, Waffen im All zu stationieren. Die Direktorin des Center for Defense Information in Washington, Theresa Hitchens, schätzt ein: »Obwohl die Politik nicht explizit sagt, wir schießen Satelliten ab oder wir stationieren Waffen im Weltraum, scheint mir, dass sie genau dafür die Tür öffnet.« Auch sei das neue Konzept weitaus unilateraler ausgerichtet als die Politik der Vorgängerregierung, denn es poche zwar auf eigene Ansprüche, negiere aber weitgehend die Rechte anderer. Das Streben der Vereinigten Staaten nach militärischer Alleinherrschaft im All wird andere Länder wie Russland, China, Frankreich und Japan, aber auch Brasilien, Indien, Iran, Nigeria und Pakistan zum Nachziehen bzw. zu Kontermaßnahmen veranlassen. Ein vertragliches Verbot des Wettrüstens im Weltall lehnt die Bush-Regierung rigoros ab. Neue Verträge seien »unnötig«, »kontraproduktiv« und »nicht im nationalen Sicherheitsinteresse der USA«, befand Vize-Außenminister Robert Joseph erst kürzlich in einer Rede vor dem George C. Marshall Institute in Washington.

Weitere völkerrechtliche Vereinbarungen zum Kosmos sind:
 Der Teilteststoppvertrag (1963) verbietet u.a. auch Kernwaffentests und andere nukleare Explosionen im Weltraum;
 das Weltraumrettungsübereinkommen (1968) regelt die Gewährung von Hilfe für in Not geratene Raumfahrer und die Rückgabe von in den Weltraum gestarteten Gegenständen;
 das Weltraumhaftungsübereinkommen (1972) gewährt angemessenen Schadensersatz für durch Weltraumgegenstände verursachte Schäden;
 das Weltraumregistrierungsübereinkommen (1975) erleichtert die Identifizierung von in den Weltraum gestarteten Gegenständen;
 der Mondvertrag (1979) verpflichtet zur ausschließlich friedlichen Nutzung des Mondes und verbietet die Anwendung und Androhung von Gewalt in Bezug auf die Erde, den Mond, auf Raumschiffe und deren Besatzungen sowie auf künstliche Weltraumprojekte. Die Stationierung von Massenvernichtungswaffen auf dem Mond und im mondnahen Raum ist untersagt.

Der Vertrag über die Grundsätze
...zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper (99 Mitgliedstaaten) bestimmt diese als Gemeingut der Menschheit und erlaubt ausschließlich die gleichberechtigte, friedliche Erforschung wie Nutzung zum Vorteil und im Interesse aller Länder. Zu allen Himmelskörpern herrscht uneingeschränkter Zugang. (Art. I)

Der Weltraum ist kein nationales Eigentum und unterliegt keiner nationalen Hoheitsgewalt oder Okkupation. (Art. II)

Die Anwesenheit von atomaren und anderen Massenvernichtungswaffen auf einer Erdumlaufbahn und deren Stationierung im Weltraum ist verboten. Auf Himmelskörpern dürfen keine militärischen Stützpunkte errichtet werde...

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