3000 Ärzte streikten gegen Reform

Einjähriger Aufschub gefordert / Beeindruckt von Verständnis und Unterstützung der Patienten

  • Klaus Joachim Herrmann
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Eine Mehrheit der rund 6200 Kassenärzte habe sich an den gestern beendeten dreitägigen Protestaktionen gegen die Gesundheitsreform beteiligt, bilanzierte am Freitag Dr. Albrecht Scheffler vom Bündnis Berliner Kassenärzte vor Journalisten. »Das ist auch für uns Ärzte etwas Neues«, zeigte er sich von der Beteiligung an den tageweisen Praxisschließungen vom 24. bis 26. Januar selbst etwas überrascht. Sinn des Protestes sei nicht gewesen, Patienten nicht zu behandeln, stellte Dr. Albrecht klar. Vielmehr sei es um Aufklärung gegangen, was mit ihnen im Zuge der Gesundheitsreform geschehen werde. Mit den Patienten sehen sich die Mediziner nach seiner Auskunft »in einem Boot« und auch ein »bisschen als ihr Sprachrohr«. Auf das große Verständnis für die zeitweiligen Praxisschließungen und eine Solidarisierung gerade der Patienten verwies, »beeindruckt von dieser Unterstützung«, Dr. Rudolf G. Fitzner, Vorsitzender des Hartmannbundes Berlin. Die Ärzte wiesen die Forderung der Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) entschieden als überflüssig zurück, die Proteste nicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen. Es sei ihnen nicht bekannt, dass jemand wegen des Streikes habe leiden müssen. Die Patienten hätten im Gegensatz zur Politik verstanden, dass es um die Zukunft der ambulanten Versorgung in dieser Stadt gehe, meinen die Ärzte. Bis zu einem Drittel der Praxen in Wohnortnähe sehen sie unmittelbar in ihrer Existenz bedroht. Wegen der künftig direkt abzuschließenden Verträge zwischen Kassen und Ärzten könne sich der Versicherte künftig nicht mehr darauf verlassen, dass der Arzt seines Vertrauens auch an die eigene Kasse gebunden sei. Neben weiteren Problemen befürchten die Ärzte zunehmende staatliche Einmischung in die medizinische Versorgung. So leide laut Ärztekammer Berlin die Versorgung massiv. Dem Patienten werde nicht mehr eine medizinisch sinnvolle Behandlung nach dem neuesten Stand der Wissenschaft zuteil werden können, sondern »nur noch nach staatlichen Vorgaben, bei denen rein wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund stehen«. Das bislang gute Angebot in Berlin »droht nun zu kippen«. Die Versorgung werde »teurer, unsicherer und schlechter«. Mindestens eine Verschiebung der Gesundheitsreform wird nun von den Organisatoren des Protestes gefordert. Auch die Ärztekammer Berlin plädiert für eine Aussetzung der Reform für ein Jahr. Das Vorhaben der großen Koalition solle aufgeschoben werden, damit man mal sehe, »was sie da zusammengeschustert haben«, meinte Dr. Elmar Wille, Vizepräsident der Ärztekammer. Ohnehin wisse niemand so recht, die Abgeordneten des Bundestages eingeschlossen, was das Gesetzeswerk auch unter Berücksichtigung der letzten Veränderungen wirklich beinhalte. »Wir kämpfen um eine gute ambulante und stationäre Versorgung«, versicherte Dr. Angelika Prehn, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen V...

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