Oranienstraße bleibt Verkehrshölle
Verwaltung zeigt bei Ortstermin in Kreuzberg wenig Fantasie für mehr Sicherheit
»Die Oranienstraße ist ein rechtsfreier Raum, was den Verkehr angeht, und zwar für alle Verkehrsteilnehmer«, sagt Bernd Steinmeyer von »Leben in Kreuzberg«, ein Zusammenschluss hauptsächlich kleiner Laden- und Gastronomiebetreiber in der quirligen Straße. »Kein Radweg, achtlos geöffnete Fahrertüren, Parken und Halten in zweiter Reihe, Busverkehr, Lieferverkehr und BMW-Proll-Teststrecke«, so lautete die Einschätzung eines Radlers auf der Internetseite des vom Senat 2013 angestoßenen Onlinedialogs zur Radverkehrssicherheit.
»Trotz des Dialogs hat sich die Situation seitdem überhaupt nicht geändert«, sagt Steinmeyer am Freitagmittag. Vor über einem Jahr hatte er sich an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses gewandt. Nun bilden Mitarbeiter der beteiligten Verwaltungen in Bezirk und Senat, der Polizei und der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) eine Menschentraube auf dem Heinrichplatz.
»Sehen Sie, der Bus kann die Haltestelle wegen der Falschparker gar nicht richtig anfahren«, sagt Hartmut Reupke von der BVG und zeigt auf einen schrägstehenden Doppeldecker. Auch wegen der Oranienstraße ist die Metrolinie M 29 eine der langsamsten der Stadt. Die Busse kommen zwar alle fünf Minuten, kommen aber nur zwölf Kilometer pro Stunde voran. Der Durchschnittswert für Berlin liegt bei 19 Stundenkilometern.
Eine Einbahnstraßenregelung für Autos und Lastwagen, mehr Zebrastreifen, Fahrrad-, statt Autoparkplätze. Der Zusammenschluss »Leben in Kreuzberg« hat viele Ideen, um die Situation vor allem für schwächere Verkehrsteilnehmer zu verbessern.
Eine greifbare Verbesserung könnte bis Ende März realisiert sein: 257 Meter mehr Tempo 30 statt 50 auf der Oranienstraße. »Normalerweise hätten wir Tempo 30 auf der Straße ablehnen müssen«, sagt Regina Riemschneider von der Verkehrslenkung Berlin (VLB) - »allein schon wegen der Metrobuslinie.«
Bei allen anderen Vorschlägen winkt Ralf Lehmann-Tag von der Verkehrsverwaltung vorsichtig bis entschieden ab. Zwischen den bestehenden Ampeln konnten keine Schwerpunkte von querenden Fußgängern ausgemacht werden, die Zebrastreifen rechtfertigen würden. Und da Menschen zu Fuß die »umwegempfindlichsten Verkehrsteilnehmer« seien, würden sie diese sowieso nicht nutzen.
Angesichts der Fahrbahnbreite von zwölf Metern sei auch kein Platz für Fahrradspuren. Ob man wirklich auf beiden Seiten Parkplätze brauche, fragt Steinmeyer. »Wenn wir eine Fahrbahnseite freischießen, würden die Be- und Entlader sich trotzdem hinstellen«, entgegnet Lehmann-Tag. Und eine Einbahnstraßenregelung würde noch mehr Verkehr erzeugen, weil die Ziele der Autofahrer nur noch auf Umwegen zu erreichen seien, so Lehmann-Tag.
Der Rechtsaußen-AfD-Abgeordnete Andreas Wild hält ein Radfahrverbot in der Oranienstraße für einen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit. Er ist als Mitglied des Petitionsausschusses anwesend. Nicht nur an ihm hängt es bei der Verkehswende.
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