Facebook als Kneipe

Justizminister stellt geplante Maßnahmen gegen Hasskommentare im Netz vor

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Eines lässt sich Justizminister Heiko Maas (SPD) nicht nachsagen: Er sei inkonsequent. Nachdem Hasskommentare in den sozialen Netzwerken ein zunehmendes Problem wurden, versuchte er es zunächst auf die sanfte Tour, ermahnte Facebook & Co. dazu, Maßnahmen gegen die Verrohung der virtuellen Debattenkultur anzugehen. Doch da die freiwilligen Selbstverpflichtungen nur beschränkt Erfolge brachten, zieht Maas nun mit einem Gesetz nach: Künftig sollen soziale Netzwerke gezwungen werden, innerhalb von 24 Stunden offensichtlich strafbare Inhalte zu löschen, nachdem sie einen Hinweis darauf erhalten haben. Bei unklaren Fällen müsse eine Prüfung innerhalb von sieben Tagen erfolgen. Gelingt dies nicht, droht dem Unternehmen eine Geldbuße von bis zu 50 Millionen Euro.

Detlef Esslinger begrüßt auf süddeutsche.de den Vorstoß. Er ist überzeugt: Die Macher hinter den sozialen Netzwerken hätten nie ein Interesse daran gehabt, Regeln für die Kommunikation aufzustellen. »Im Silicon Valley mag es geniale Programmierer und Ingenieure geben, von Gesellschaft aber verstehen all diese Genies wenig. Sie haben der Welt Plattformen beschert, auf denen es Regeln kaum gibt und auf denen deshalb allzu oft kein Diskurs organisiert, sondern ein verbaler Kampf aller gegen alle ermöglicht wird.« Esslinger warnt vor den »naiven Jungs aus Kalifornien«, die »sich am Gemeinwesen vergehen und es nicht einmal merken«. Er selbst reproduziert mit seiner Argumentation allerdings das Klischee vom zu sozialen Kontakten unfähigen IT-Nerd, der sich im dunklen Keller hinter seinem Monitor vor der realen Welt versteckt. Wirkt Mark Zuckerberg wirklich so? Die US-Sitcom »The Big Bang Theory« lässt grüßen.

Die Grünen-Politikerin Renate Künast kritisiert im Interview auf deutschlandfunk.de, dass der Gesetzentwurf sich nur auf strafbare Inhalte beziehe. »Die Frage, wie Facebook und andere eigentlich mit Hass umgehen, mit Zersetzung, mit einer Diskriminierung, die noch nicht strafbar ist, ist hier überhaupt nicht angetippt.« Facebook & Co. müssten wie ein Kneipenwirt handeln, der auch Leuten Hausverbot erteilt, die »sich in der Grauzone zwischen grob unhöflich und strafbar« verhalten. »Da würden Sie auch akzeptieren, dass diese Person irgendwie reagiert, und sagen, das gehört zum sozialen Frieden dazu.«

Piratenchef Patrick Schiffer erklärt hingegen: »Dieser Gesetzesentwurf ist reine Symptombekämpfung.« Maas stelle »nicht klar, was offensichtlich rechtswidrige Inhalte sein sollen«. Solch eine Entscheidung den Betreibern sozialer Netzwerke zu überlassen, eröffne den Weg hin zu staatlicher oder gar privater Zensur.

Maram Stern, stellvertretender Geschäftsführer des World Jewish Congress, begrüßt auf causa.tagesspiegel.de zwar den Gesetzesentwurf, merkt aber an: »Es geht nicht alleine um die sozialen Medien und deren Anbieter. Denn diese haben den Hass nicht erfunden, sondern bieten nur neue Kanäle und Wege, ihn zu verbreiten.«

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