Mehr Gewalt von rechts und links

Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat 2016 einen neuen Höchststand erreicht

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Als »ausgesprochen besorgniserregend« schätzt Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) die im vergangenen Jahr registrierte Zunahme der politisch motivierten Kriminalität im Land ein. Die Zahl der Straftaten in diesem Bereich ist um 191 auf insgesamt 2163 gestiegen, das waren zehn Prozent mehr als im Jahr 2015.

»Damit hat sich der Trend der Vorjahre bedenklich weiter fortgesetzt«, sagte der Minister am Mittwoch in Potsdam. Gemeinsam mit Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke stellte er die Statistik »Politisch motivierte Kriminalität im Land Brandenburg 2016« vor. »Wir verfolgen diese Entwicklung mit großer Besorgnis, zeigt sie doch, dass das politische Konfliktpotenzial in unserer Gesellschaft weiter angestiegen ist und zunehmend auch in Form von Straftaten und sogar wachsender Gewalt Ausdruck findet«, so Schröter.

Schwerpunkt rechte Gewalt
  • Bei 136 der 167 politisch rechts motivierten Straftaten war Fremdenfeindlichkeit Auslöser.
  • 147 der politisch rechts motivierten Straftaten wurden laut Polizei spontan begangen. In 20 Fällen war das Vorgehen geplant.
  • Der Anstieg der Gewaltdelikte fußt auch auf mehr Körperverletzungen und Widerstandsakten gegen Vollstreckungsbeamte bei Demos.
  • Der rechte Brandanschlag auf ein Asylheim in Jüterbog vom 1. Oktober 2016 war ein Mordversuch.
  • Insgesamt 72 Straftaten wurden gegen Flüchtlingsunterkünfte verübt, darunter 15 Gewaltstraftaten.
  • 28 mal wurden Partei- und Wahlkreisbüros attackiert: AfD (17), LINKE (6), SPD (3), CDU (2).
  • 2016 wurden 72 Ermittlungen gegen »Reichsbürger« abgeschlossen.

Auch die politisch motivierte Gewalt habe 2016 mit insgesamt 260 Fällen einen neuen Höchststand erreicht. Davon seien 167 der Gewalttaten rechtsextrem und rassistisch motiviert gewesen (2015: 129). Wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums mitteilte, wurden im vergangenen Jahr 217 Personen aus 31 Nationen Opfer rechter Gewaltstraftäter, darunter vor allem Syrer und Deutsche.

Immerhin hat sich die Aufklärungsquote trotz zunehmender Fallzahlen verbessert. Sie habe 2016 bei 60,2 Prozent gelegen (2015: 58,4 Prozent), vor allem aber habe die Polizei 80 Prozent aller Gewaltdelikte aufgeklärt (2015: 77 Prozent). In diesem Zusammenhang appellierte der Innenminister an die Justiz, überführte Täter möglichst zeitnah zu bestrafen. »Der intensive und spürbare Verfolgungsdruck der Polizei auf nicht tolerierbare politische Straftaten wird beibehalten.«

Der Statistik zufolge lag der qualitative Schwerpunkt »unverändert und mit Abstand« - so der Innenminister - bei aus dem rechten Spektrum heraus begangenen Straftaten. Insgesamt 1664 Fälle wurden der rechten Szene zugerechnet (2015: 1581). Bemerkenswert war dabei vor allem der Anstieg der Gewalttaten.

Politisch links motivierte Straftaten nahmen auf deutlich niedrigerem Niveau zu: von 223 Fällen 2015 auf 244 Fälle, wobei die Zahl gewalttätiger Übergriffe von 48 auf 53 wuchs.

Es gab 38 Fälle politisch motivierter Ausländerkriminalität (2015: zwölf), zwölfmal griffen Ausländer zu Gewalt (2015: vier). Deutlich häufiger wurden Flüchtlinge Opfer von rechten Angriffen, die Statistik erfasste 264 derartige Straftaten, mehr als dreimal so viele wie 2015 (83). Die Zahl der Gewaltdelikte stieg um mehr als das Doppelte von 44 auf 98.

»Es ist eine zunehmende Bereitschaft festzustellen, politische Auseinandersetzungen auch mit Gewalt auszutragen - von links und rechts«, klagte Schröter.

Kürzlich hatte der Verein Opferperspektive mit mit 221 Angriffen, darunter 186 Körperverletzungen für 2016 einen neuen Höchststand rechter Gewalttaten gegen Flüchtlinge und deren Unterstützer gemeldet.

Große Aufmerksamkeit widmen die Behörden möglichen terroristischen Bedrohungen aus islamistischen Kreisen, betonte Polizeipräsident Mörke. Sehr ernst nehme man auch das Klientel der »Reichsbürger«. Das seien aktuell 440 Personen, die die Autorität der Bundesrepublik leugnen und zum großen Teil der der rechtsextreme Positionen vertreten.

Besorgt angesichts der rechtsextremen und rassistischen Gewalt äußerte sich der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Landtag, Hans-Jürgen Scharfenberg. Dass es sich bei den Tätern häufig um junge Menschen handele, weise darauf hin, »dass Neofaschismus und rechte Gewalt ›nachwachsen‹ und entsprechenden Nährboden finden«, sagte er.

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