Rüstzeug für den Alltag als Schausteller

Drei Bundesländer bieten speziellen Unterricht an

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Schausteller sind die meiste Zeit des Jahres auf Achse. Die Kinder der in dieser reisenden Branche Tätigen sind bis zu ihrem 18. Lebensjahr dennoch nicht von der Schulpflicht befreit.

Das Gewerbe ist sehr familiär geprägt. Damit der Nachwuchs dort Fuß fassen kann und früh hineinwächst, wird neben dem breiten Praxisfeld auf all den angesteuerten Jahrmärkten mit Rücksichtnahme auf die Saison des reisenden Gewerbes ein spezieller Berufsschulunterricht in Blockform angeboten. Der kann deutschlandweit nur in drei Bundesländern besucht werden.

Das Zauberwort für die spezielle Zielgruppe wird mit der Abkürzung BeKoSch ausgedrückt: Berufliche Kompetenzen für Schausteller. In Hessen findet der Unterricht in Nidda statt, in Nordrhein-Westfalen in Herne bzw. Bielefeld und in Schleswig-Holstein in Neumünster.

Der dreiwöchige Block für derzeit insgesamt elf Schaustellerkinder im schleswig-holsteinischen Neumünster endete jetzt nach dem Besuch der dortigen Walther-Lehmkuhl-Schule mit der Ausgabe der Teilnahmezertifikate, denn ein Zeugnis gibt es nicht. »Ein Ausbildungsberuf ist die Schaustellerei nicht. Dort wächst man hinein, und das in der Regel innerhalb der Familie«, erläutert Andreas Horlbeck, Fachbereichsleiter für Bildung im Deutschen Schaustellerbund.

Der Unterricht für die 16- bis 19-jährigen jungen Menschen aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist maßgerecht zugeschnitten auf die ständig wiederkehrenden Erfordernisse im Schaustellergewerbe. Auf der Stundentafel in Neumünster stehen Englisch, Einblicke in die Medienarbeit, Betriebswirtschaft und Steuerrecht, Bewerbungstraining, Textverarbeitung, Arbeitssicherheit, Brandschutz sowie Erste Hilfe, Lebensmittelrecht und -hygiene, Jugendschutz, Schweißtechnik. Es gibt einen Workshop Siebdruck und Airbrush-Werkunterricht - alles wichtiges Knowhow rund um den Verkauf von Zuckerwatte und das Betreiben eines Fahrgeschäftes. Die Fächer Mathematik und Deutsch stehen hingegen nicht auf dem Stundenplan.

Die Vermittlung von technischem und kaufmännischem Wissen im BeKoSch-Schnellverfahren - dafür ist an der Walther-Lehmkuhl-Schule seit nunmehr 15 Jahren Marlies Kozielski-Nuske verantwortlich, die es sich auch nach ihrer eigentlichen Pensionierung nicht nehmen lässt, dem Schaustellernachwuchs ein Stück Berufsvorbereitung mit auf den Lebensweg zu geben.

Der typische BeKoSch-Teenager hat einen Hauptschulabschluss, manchmal auch gar keinen Schulabschluss. Eine »Null-Bock«-Mentalität oder eine »Kein-Bock-auf-Schule«-Haltung hat Kozielski-Nuske bei den Jugendlichen noch nicht festgestellt, schließlich begreifen die Teilnehmer schnell, dass ihnen nicht irgendwelche Formeln beigebracht werden, sondern handwerkliches Rüstzeug für den Berufsalltag.

Für das Anfertigen von eigenen Werbeschildern oder -plakaten eignen sich beispielsweise all die Tipps und Kniffe, die Malermeister Ingo Stahlbock weitergibt, auch wenn bei ihm der Umgang mit Sprühpistolen und Schablonen unter dem Fachbegriff Airbrushtechnik mehr an populäre Graffiti als an klassische Lackierkunst erinnert. Die 17-jährige Antonia Stey aus dem Kreis Segeberg ist jedenfalls begeistert und findet es »echt cool«.

Über die jeweiligen Blockmodule hinaus gibt es für alle Nachwuchsschausteller noch Angebote von Fernlernkursen.

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