Zimmerklau bei Hartz IV-Betroffenen

Wohnungsgesellschaften reduzieren Wohnraum: Streit in Linkspartei, Mieterbund lobt Kreativität

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: ca. 1.5 Min.

Nachdem im sächsischen Löbau Bezieher von Arbeitslosengeld II auf ein Zimmer verzichten, um trotz Hartz IV- Kriterien in ihrer Wohnung bleiben zu können, wollen auch Wohnungsunternehmen in Sachsen-Anhalt Arbeitslosen Räume sperren. Das Echo auf diese »Hartz IV-Anpassung« ist geteilt.

Der Zeitungsbericht war am Freitag kaum erschienen, schon hagelte es Proteste. Das Vorhaben von Wohnungsgesellschaften in Halle, Dessau und Magdeburg sei diskriminierend und ungesittet, wetterten DGB und Linkspartei in Sachsen-Anhalt. Die Wohnungsunternehmen hatten angekündigt, ALG II-Empfängern, deren Wohnung größer ist, als die Hartz IV- Kriterien zulassen, einzelne Räume abzusperren oder dort die Heizung stillzulegen. Während Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff das für einen »denkbaren Weg« hält, weil es für Betroffene meist »günstiger als ein Umzug« sei, lehnt DGB-Landeschef Udo Gebhardt das Modell ab: »Was hier gesetzlich und organisatorisch für möglich gehalten wird, ist auch nach den Regeln des allgemeinen Umgangs ungesittet.« Die sozialpolitische Sprecherin der Linkspartei-Landtagsfraktion, Birke Bull, sieht in der Wohnraumsperrung eine Diskriminierung von Langzeitarbeitslosen. Einsparungen von Umzugskosten und Sicherung der Mietzahlung gingen auf Kosten der Menschenwürde und Selbstbestimmung der Betroffen, kritisierte die Politikerin. Auch die Wittenberger Linke, die derlei Absperrungspraxis in ihrer Stadt kennt, sieht die Würde des Menschen auf der Strecke. »Bist du arm, musst du beengt wohnen. Auch dann, wenn es eigentlich genug Wohnraum gibt, nämlich direkt hinter der verschlossenen Tür«, ist für den Vorsitzenden der Wittenberger Linken, Jörg Schindler, die Botschaft. Im sächsischen Löbau allerdings beansprucht der für die Linksfraktion im Kreistag sitzende Chef des Arbeitslosenverbandes im Landkreis, Joachim Herrmann, das Urheberrecht für die Idee mit den versperrten Zimmern. Der eigentliche Irrsinn sei das Hartz IV-Gesetz, gegen das auch er vehement gestritten habe, erklärte er. Wenn Betroffene demnach nur noch »angemessenen Wohnraum« bezahlt bekämen, müsse man die Wohnung eben passend machen. Derlei Kreativität lässt selbst Mieterbund-Direktor Franz-Georg Rips nicht unbeeindruckt. Er will diese Praxis, mit der »offenbar viele Betroffene zufrieden sind«, »nicht von vornherein mit hartem Urteil belegen«. Immerhin würden mit dieser »kreativen und flexiblen Suche nach Alternativen, auf gesetzliche Vorgaben zu reagieren«, Zwangsumzüge vermieden und der bisherige Lebensmittelpunkt für Hartz IV-Betroffene erhalten, so Rips gegenüber ND. Unterdessen haben Städte und Kommunen erneut auf die wachsende Belastung durch Sozialkosten im Gefolge der Hartz-Reformen hingewiesen. Die Ausgaben stiegen 2006 auf über 37 Milliard...

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