Der alte Mann und die Reform

Peter Hartz präsentiert neue Konzepte gegen Arbeitslosigkeit

  • Lesedauer: 3 Min.

Peter Hartz ist alt geworden. Der ehemalige VW-Personalvorstand und Namenspatron der umstrittenen Arbeitsmarktreformen will an diesem Dienstag seine »Weiterentwicklung« der Agenda 2010 vorstellen. Mit schon brüchig werdender Stimme sitzt der 75-Jährige auf dem Podium der Bundespressekonferenz, um, wie er sagt, »ein paar neue Ideen vorzustellen«. Dem gebürtigen Saarländer geht es um die Bekämpfung von Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit sowie die deutsch-französische Zusammenarbeit. Mit dem Wahlsieg des ehemaligen Investmentbankers Emmanuel Macron scheint Frankreich reif für tiefgreifenden Arbeitsmarktreformen.

Vom Erfolg seiner Reformen ist der Sohn eines Hüttenarbeiters nach wie vor überzeugt. Das »Ende der Massenarbeitslosigkeit« und die »Flexibilisierung des Arbeitsmarktes« seien direkte Folge seines Konzepts. »Doch der Erfolg hat seinen Preis«, so Hartz. Für jeden vierten, der arbeitslos werde, »führt der Weg direkt in Hartz IV«. Diese Menschen gehörten nicht in die Grundsicherung, sondern in die Arbeitslosenversicherung. Dass Hartz IV so gering ausfalle, sei nicht seine Schuld, so der ehemalige VW-Manager. Die von ihm geleitete Kommission hätte damals einen Betrag von 511 Euro für das Arbeitslosengeld II vorgeschlagen. Stattdessen erhielten alleinstehende Langzeitarbeitslose im Jahr der Einführung 2005 gerade einmal 345 Euro, im Osten gar nur 331 Euro. Mittlerweile beträgt der Regelsatz 409 Euro und liegt damit immer noch deutlich unter dem, was Hartz vor mehr als 15 Jahren für gerade noch zumutbar hielt. Hartz wirkt am Dienstag auch wie jemand, der seinen Namen endlich reinwaschen will. Er wolle sich nicht damit abfinden, »dass eine Million Menschen langzeitarbeitslos« und 250 000 Jugendliche ohne Job sind.

Das Konzept seiner neuen Arbeitsgruppe, die von einer saarländischen Stiftung finanziert wird, sieht unter anderem eine angeleitete Selbsthilfe für Langzeitarbeitslose vor - betreut von sogenannten A-Trainern, die selbst einmal erwerbslos waren und aus schwer vermittelbaren Arbeitslosen »Minipreneure« machen sollen. Sie sollen der Wirtschaft, den Kommunen und gemeinnützigen Vereinen »gegen Verrechnung marktfähiger Löhne« als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Allerdings nicht als Ein-Euro-Jobber. Die Betroffenen sollen einen Mindestlohn ohne Bedürfnisprüfung erhalten. Damit die Löhne marktfähig ausfallen, soll die öffentliche Hand einen Zuschuss zahlen.

Hartz will auch an die Jugendarbeitslosigkeit ran. Schätzungen zufolge gibt es in Europa rund vier Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die keinen Job haben. Für seine Ausbildungsoffensive rechnet er mit Kosten von mehreren Zehntausend Euro pro Person. Hartz betont den Zusammenhang zwischen den Chancen der Jugendlichen und deren Talenten. Diese gelte es zu entdecken. Er drängt zur Eile. »Wenn Sie einen Wasserrohrbruch haben, dann lassen Sie auch alles stehen und liegen und machen das«, sagt der ehemalige VW-Manager. Er fordert den EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker auf, das Thema ganz oben auf die Agenda zu setzen. Ob man in Brüssel jedoch auf die Ratschläge eines Ruheständlers aus dem Saarland hören wird, bleibt abzuwarten. fal

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