Wenn »Schluckebier« und »Müller« Ärger machen

Sachsen: Hunderte Anträge zur Namensänderung pro Jahr

  • Lesedauer: 4 Min.

Dresden. Burkhardt oder Burkhart? Mehrere hundert Menschen lassen in Sachsen jährlich ihre Vor- oder Nachnamen ändern oder zumindest deren Schreibweise modifizieren. Das ergab eine dpa-Umfrage in den großen Städten. Dabei gelten strenge Vorschriften. Für Betroffene ist es nicht einfach, solche Änderungen zu veranlassen. Mittlerweile passen auch viele Migranten ihre Namen deutschen Gepflogenheiten an. Das Interesse der Menschen an der Namensfrage sei groß, erklärt der Namenforscher Jürgen Udolph.

Ein Beispiel: Die Schauspielerin Anne Kasprik etwa hat Anfang der 1990er Jahre einen Buchstaben ihres Namens gestrichen. Die Künstlerin - bekannt vor allem aus Fernsehserien wie »Notruf Hafenkante« und einst als junge Gräfin Dönhoff in »Sachsens Glanz und Preußens Gloria« - wurde als Kasprzik geboren. Der Name ist osteuropäischer Herkunft, die Buchstabenkombination »rz« - im Polnischen als stimmhaftes »sch« gesprochen - ist im Deutschen ein Zungenbrecher. »Viele haben nur Kas gesagt und dann einfach aufgehört«, erzählt sie. Irgendwann habe auch der Vater geraten, den Namen ändern zu lassen. Und so wurde aus der eigentlich Kaspschik gesprochenen Kasprzik eine Kasprik.

Das Gesetz

In Deutschland kann jeder die Änderung seines Vor- und/oder Nachnamens beantragen - vorausgesetzt er ist Deutscher, asylberechtigt oder staatenlos. Dies gilt unabhängig von der Änderung des Familiennamens aufgrund Geburt, Heirat, Lebenspartnerschaft oder Adoption. Diese »behördliche Namensänderung« richtet sich nach dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen. Demnach muss für eine Änderung ein »wichtiger Grund« vorliegen. Die für die Entscheidung wichtigen Umstände sind von Amts wegen festzustellen. Typische Fallgruppen sind sogenannte Sammelnamen wie Müller, Meier oder Schulz, wenn die Gefahr häufiger Verwechslungen besteht, anstößig oder lächerlich klingende Familiennamen oder Namen, die zu unangemessenen Wortspielen verleiten sowie Doppelnamen und sehr umständliche Familiennamen. dpa/nd

Etwa 100 Anträge auf Änderung des Namens werden jährlich in Leipzig gestellt. Diese betreffen laut Stadt zu etwa einem Drittel den Vor- und zu zwei Dritteln den Familiennamen. Häufigster Grund etwa beim Vornamen sei, dass sich eine andere, eventuell modernere Schreibweise durchgesetzt habe. So ist aus dem Carsten ein Karsten oder dem Burkhardt ein Burkhart geworden.

Vor allem bei Kindern würden die Familiennamen geändert, wenn die Eltern sich getrennt haben oder geschieden wurden. Dann werde der Name an den Elternteil angeglichen, bei dem das Kind lebt. Oder aber Pflegekinder nehmen den Namen der Familie an, bei der sie zu Hause sind. Einen neuen Namen gibt es in Regel auch, wenn mit dem alten eine seelische Belastung etwa infolge sexuellen Missbrauchs oder körperlicher Gewalt durch Familienangehörige verbunden ist.

Migranten, die eingebürgert wurden, oder anerkannte Flüchtlinge können ihre Namen angleichen und etwa aus Namensketten wie Achmed Mohammed Hemid Vor- und Familiennamen bestimmen. Sie können Teile des Namens ablegen, die das deutsche Recht nicht vorsieht, wie Zwischen- oder Vatersnamen sowie weibliche Namensendungen.

Von etwa jährlich 80 bis 100 Anträgen auf Namensänderung ist in Dresden die Rede. Etwa 70 Prozent würden genehmigt, heißt es. Oft würden familiäre Gründe oder seelische Belastungen geltend gemacht. In Chemnitz gab es laut Stadt im vergangenen Jahr 23 Anträge auf Namensänderung, davon acht für Vornamen und 15 für Familiennamen. Zum Vergleich: 2015 waren es insgesamt 16, davon fünf für den Vornamen und elf für den Familiennamen.

Der Name sei in der modernen Zeit wichtig wie nie, unterstreicht der Leipziger Namenforscher Udolph. Das beginne bei alltäglichen Dingen wie Geldüberweisungen. Schon deshalb sei es richtig, beim Namen streng zu sein. »Er ist wie ein Kennzeichen.« Zudem enthielten Namen oft Informationen. Sie seien »Zeugen der Geschichte«, die nicht verloren gehen dürften. Auch außergewöhnliche Namen wie Schluckebier oder Bleifuß seien interessant. Allerdings habe er Verständnis, wenn etwa Menschen mit lächerlich oder anstößig klingenden Namen diese ändern ließen.

Im benachbarten Thüringen ist die Zahl der Namensänderungen seit Jahren stabil. Auch sehr verbreitete Namen wie »Müller« seien teilweise mit massiven Problemen verbunden, erläuterte die Sprecherin der Stadt Erfurt, Heike Dobenecker. »Sammelnamen können ein Grund für eine Namensänderung sein, wenn es aufgrund dessen immer wieder zu Verwechslungen kommt - etwa durch falsche Postzustellungen, beim Arzt oder in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens.«

Der häufigste Grund für die Abwandlung des Familiennamens ist indes bei allen befragten Thüringer Behörden familiärer Natur: Für Stiefkinder sei es oft wichtig, nach einer Scheidung der Eltern den Namen des Stiefvaters abzulegen, hieß es. »Oft spielt in solchen Fällen auch Alkoholmissbrauch oder Vernachlässigung eine Rolle, wenn Stiefkinder Distanz suchen«, sagte Jenas Stadtsprecher Christian Philler. Ebenso komme es immer wieder vor, dass Pflegekinder den Namen ihrer Pflegeeltern annehmen möchten. Hier sei der dauerhafte Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie Voraussetzung, betonte Adrian Weber vom Landratsamt Gotha. Es gab auch vermehrt Anträge von Spätaussiedlern.

Ob ein Name tatsächlich jemanden so sehr belastet, dass eine Korrektur gerechtfertigt ist, ist immer vom Einzelfall abhängig. Im Zweifel können die Behörden Gutachten oder andere Belege einfordern. Ein Namenswechsel kostet obendrein Geld: Der Gesetzgeber sieht für die Änderung oder Feststellung eines Familiennamens eine Gebühr von bis zu 1022 Euro vor; für Vornamen fallen höchstens 255 Euro an. Wie hoch die tatsächlichen Kosten am Ende sind, sei einkommensabhängig, erklärte Philler. »Dass wirklich einmal jemand 1000 Euro bezahlen musste, ist bei uns bisher erst einmal vorgekommen. Aber am Geld ist es noch nicht gescheitert.« dpa/nd

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