Sichere Asylheime

In Dahme-Spreewald schulen Polizisten und Feuerwehrleute die Bewohner der Flüchtlingsunterkünfte

Durch ein offenes Fenster dringt Lachen. Im Eingangsbereich des Asylheims An der Schanze 43 in Luckau unterhalten sich Flüchtlinge. Ein schwarzes Mädchen steht dabei und lächelt. Frauen tragen Schüsseln mit exotischen Speisen. Denn es sind Gäste gekommen: Sozialministerin Diana Golze (LINKE) und die Integrationsbeauftragte Doris Lemmermeier.

Es herrscht eine freundliche Atmosphäre. Aber das war nicht immer so in allen 16 Asylheimen im Landkreis Dahme-Spreewald. Als Christian Hylla im Jahr 2015 Leiter der hiesigen Polizeiinspektion wurde, sind 1767 Flüchtlinge im Landkreis angekommen. Es gab Spannungen und Probleme. Das merkte nicht nur die Polizei, wenn sie alarmiert wurde. Frauen, die bei den verschiedenen Einsatz- und Rettungskräften arbeiten, wurden von Männern aus bestimmten Kulturkreisen nicht akzeptiert. So schilderte eine Ärztin dem Polizeichef, sie sei weggeschubst wurden, während sie ein Kind reanimierte. Dann gab es auch Schlägereien in den Heimen. Als Hylla hörte, dass anderswo Flüchtlinge mit Zaunlatten aufeinander losgegangen waren, überlegte er schon, seine Untergebenen anzuweisen, ihre Helme mit in die Streifenwagen zu nehmen. Normalerweise bleiben die Helme im Spind. Aber der Polizeichef fand eine andere Lösung. Er bastelte mit Feuerwehr und Kreisverwaltung ein Präventionskonzept »Sichere Flüchtlingsheime«. Polizisten und Feuerwehrleute gehen in die Gemeinschaftsunterkünfte und schulen die Bewohner. Sie klären auf, dass Frauen in Deutschland gleichberechtigt sind und dass hier Religionsfreiheit herrscht. Sie schulen junge Heißsporne, die nie gelernt haben, Konflikte gewaltfrei zu lösen, wie das geht. Sie machen dabei unmissverständlich klar, welche rechtlichen Konsequenzen eine Körperverletzung hat. Die Beamten warnen auch vor Fremdenfeindlichkeit unter der deutschen Bevölkerung.

Bei den Veranstaltungen geht es auch darum, Vertrauen aufzubauen. In Syrien gehöre die Feuerwehr zum Militär, weshalb Syrer Angst vor Feuerwehrleuten haben, fand Feuerwehrmann Christian Schmidt heraus. Deshalb fährt nun zuweilen ein Rettungswagen vor ein Asylheim und die Bewohner dürfen einmal hineinschauen. Lernen können bei der Prävention beide Seiten, berichtet Polizist Hylla. Seine Kollegen sind so ausgebildet, dass sie im Einsatz eine gewisse Distanz einhalten. Doch von den Flüchtlingen haben es viele lieber, im Gespräch ganz dicht beieinander zu stehen. Diesen kulturellen Unterschied haben die Polizisten inzwischen gelernt und beachten das.

Rund 1900 Flüchtlinge besuchten inzwischen die Präventionsveranstaltungen. »Wir haben damit bestimmt nicht jede Auseinandersetzung verhindert«, sagt Hylla. »Aber seit wir das machen, hat es - toi, toi, toi - keinen Vorfall mehr gegeben, der einen Großeinsatz erforderte.«

Natürlich macht die Präventionsarbeit Mühe. »Boah, jetzt sollen wir auch noch in die Asylheime gehen«, nennt Polizeichef Hylla eine ablehnende Reaktion aus anderen Polizeiinspektionen. Er kann das Konzept aber wärmstens empfehlen. Denn die Prävention spart am Ende Notfalleinsätze. Sozialministerin Golze und die Integrationsbeauftragte Lemmermeier sind begeistert und überlegen, wie sich die Idee auf andere Landkreise übertragen lässt.

Dahme-Spreewald ist schon einen Schritt weiter, sucht konzertiert Jobs für die Flüchtlinge, was auch nicht einfach ist. Projektleiterin Swantje Rosenboom kann ein Lied davon singen. Flüchtlinge, die zwar einen Sprachtest bestanden haben, aber sich trotzdem nicht verständigen können, seien selbst als Hilfsarbeiter unvermittelbar. Bemühungen um 161 Menschen und etliche Praktika haben erst in acht Fällen zu einem ordentlichen Arbeitsvertrag geführt. Die Hälfte der Firmen wolle generell keine Ausländer einstellen, bedauert Rosenboom. Ein Problem ist, dass es freie Wohnungen nur in den ländlichen Gegenden im Süden des Landkreises gibt, Jobs in der Regel aber nur im Norden im Berliner Speckgürtel. Zur Nachtschicht in einem Logistikzentrum in Mittenwalde pendeln, wie sollen die Flüchtlinge das machen? Sie haben kein Auto. Bus und Bahn fahren in dieser Zeit nicht. Es gibt aber einzelne Erfolgsgeschichten wie die von Rami Saleh aus Damaskus. Der Tischler konnte kein Zeugnis vorweisen, hatte jedoch auf seinem Mobiltelefon Fotos von Möbeln, die er sehr schön angefertigt hatte. Mit den Fotos ließ sich eine überzeugende Bewerbungsmappe zusammenstellen. Ein Tischlermeister aus Schönwalde war beeindruckt, besorgte innerhalb von 48 Stunden eine Wohnung für Rami Saleh und stellte ihn ein.

Doch bald darauf erschien Saleh früh nicht zur Arbeit. Das ärgerte seinen Chef. Es stellte sich aber heraus, dass Saleh keineswegs faul ist. Er hat im Bürgerkrieg seine Frau und zwei Kinder verloren und ist schwer traumatisiert. An dem bewussten Tag erfasste ihn eine Depression. Der Chef fuhr zu ihm und nahm ihn in den Arm. Seitdem laufe alles gut, Rami sei froh, erzählt Rosenboom.

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