Wenn der Kiosk zum Paketshop wird
Bonn. »Bieten Sie einen Service, den Ihr Wettbewerber nicht hat«, wirbt der Hamburger Paketdienstleister Hermes um neue Partner im Einzelhandel. »Kurbeln Sie Ihren Umsatz an«, umgarnt Mitkonkurrent DPD Kioske und Tankstellen. Und bei der Deutschen Post Group heißt es schlicht: »Nutzen Sie den Boom im Online-Handel für Ihr Zusatzgeschäft.« Allen geht es um das eine: Pakete möglichst schnell, bequem und ohne Zeitverlust an den Kunden auszuliefern.
Angesichts des Wachstums im Online-Handel gilt ein dicht geknüpftes Netz von Paketshops in Deutschland als A und O für den Geschäftserfolg. Päckchen also nicht mehr nur daheim annehmen, sondern beim Kiosk um die Ecke abholen und auch dort abgeben? »Durch die Einrichtung der Paketshops haben wir unser Paketannahme- und Verkaufsstellennetz in den vergangenen Jahren kontinuierlich erweitert«, schildert Sarah Preuß von der Deutschen Post DHL.
Der Branchenprimus aus Bonn kommt bundesweit nach eigenen Angaben auf rund 28 000 Paketannahmestellen. Davon sind 11 000 reine Paketshops, hinzu kommen Abgabe- und Annahmestellen in 13 000 Postfilialen. Außerdem rechnen die Bonner noch 3000 Packstationen und 900 Paketboxen dazu. Ziel sei gewesen, die Erreichbarkeit und die Kundennähe auszubauen.
Das größte Netz an Paketshops unterhält derzeit DHL-Konkurrent Hermes mit 14 000 Läden - Tendenz steigend. Der Mitwettbewerber DPD, eine Tochter der französischen Post, zählt 6000 sogenannte Pickup-Paketshops und bei der GLS, die zur britischen Royal Mail gehört, sind es 5000 Läden.
Dabei unterscheiden die Paketunternehmen nicht genau, wer sich hinter diesen Zahlen verbirgt. Bei Hermes entfallen auf Kioske und Tankstellen jeweils rund 20 Prozent aller Paketshops, wie ein Firmensprecher sagt. Der übrige Anteil ist bunt gemischt - Videotheken befinden sich darunter, Kopierläden, Bäckereien, Supermärkte oder auch Schneidereien.
Tatsächlich ist der Kioskmarkt in Deutschland extrem unübersichtlich. Über ihn ist wenig bekannt, obwohl dort ein Umsatz in Höhe von mehreren Milliarden Euro im Jahr erwirtschaftet werden dürfte. Beim Hauptverband des Deutschen Handels sind keine Daten zu erhalten.
Wie viel das Paketgeschäft im Kiosk am Ende abwirft, ist unklar. Die Post bleibt vage, wenn sie betont: »Das Modell ist attraktiv für unsere Partner.« Hermes-Sprecher Ingo Bertram wird etwas genauer, wenn er pro Paket einen mittleren zweistelligen Cent-Betrag nennt. Um halbwegs gute Zahlen aus diesem Geschäft zu erlösen, müsste ein Kioskbesitzer viele Pakete beackern. Lohnt das überhaupt?
Sevket Dogan, der im Kölner Norden seit 22 Jahren einen Kiosk betreibt und seit acht Jahren Partner bei Hermes ist, bejaht diese Frage. Er beziffert die Erlöse aus der Verteilung der Pakete auf monatlich etwa 600 bis 700 Euro. Pro Paket bekommt er von Hermes 40 Cent.
Doch dafür müssen Dogan und seine Ehefrau lange arbeiten. Der Kiosk hat sieben Tage die Woche geöffnet, von 7 Uhr morgens bis abends 22 Uhr, nur am Sonntag starten die Dogans eine Stunde später. Die Postfiliale gegenüber schließt um 18 Uhr. Genau das ist der Grund, warum ein Kiosk wie der von den Dogans von den Paketdienstleistern so umworben wird. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.