Das Blaue Wunder aus dem Bottich

Eine traditionelle Technik zur Färbung von Stoffen erlebt eine kleine Renaissance - zum Beispiel in Sachsen

  • Anna Ringle
  • Lesedauer: 3 Min.

Pulsnitz. Ein riesiger Bottich mit dunkler Flüssigkeit. Cordula Reppe taucht weißen Stoff hinein - nach einiger Zeit zieht sie ihn wieder hinaus, er kommt mit Luft in Berührung. Den Vorgang wiederholt sie, bis der typisch indigoblaue Farbton zum Vorschein kommt. Dazwischen sind weiße Ornamente auf dem Stoff zu erkennen. Die 55-Jährige pflegt die alte Tradition des Blaudruckfärbens in ihrer alten Werkstatt in Pulsnitz in der Oberlausitz. Es gibt nur noch wenige Blaudruckexperten, die Stoffe in Handarbeit herstellen.

Und die Zahl wird immer überschaubarer. Bis vor wenigen Jahren gab es etwa im brandenburgischen Cottbus eine aktive Werkstatt. Das Geschäft ruhe nun aus Altersgründen, sagt Evelin Rühtz-Müller. Doch bekomme sie noch jede Woche Anfragen. Seit den 1980er Jahren war sie selbstständig und hatte neben ihrer Werkstatt Ladengeschäfte in Cottbus und im Spreewald. Den Betrieb habe sie nur noch nicht abgemeldet, weil ihr Herz daran hänge.

In Pulsnitz glückte vor einigen Jahren die Übergabe an Nachfolgerin Reppe. Davor war sie Leiterin des Stadtmuseums und hatte mit Blaudruck nur wenig zu tun. Dann habe sie erfahren, dass die Werkstatt einen Nachfolger suchte. Sie wagte den Schritt. Noch immer lerne sie täglich mehr über das Handwerk.

Reppe nimmt ein Model in die Hand - so heißen die Holzstücke mit Mustern, die auf den weißen Stoff gedrückt werden. Das Model wird dazu in eine breiartige Masse - als Papp bezeichnet - aus Ton, Gummi und geheimen Zutaten getaucht und dann auf den Stoff gedrückt. Das Ganze härtet über Wochen aus und bildet eine Art Schutz beim Färben, die Stellen werden also ausgespart. Dann wird die Masse abgewaschen und der Blaudruckstoff ist fertig.

Es gibt Bestrebungen, das Blaudruckverfahren in das immaterielle Kulturerbe bei der Unesco aufzunehmen. Mehrere Länder, auch Deutschland, nominierten die jahrhundertealte Technik. Eine Entscheidung soll es im nächsten Jahr geben. In einem deutschen Verzeichnis Immateriellen Kulturerbes ist der Blaudruck bereits seit 2016 aufgeführt. Dass Blaudruck gesellschaftliche Spuren hinterlassen hat, zeigt etwa das Sprichwort »Du wirst Dein blaues Wunder erleben«, dass an das Blaufärben anspielt.

Reppe fertigt aus den Stoffbahnen Tischwäsche, Gardinen, Schürzen oder Accessoires wie Lavendelsäckchen und Glückwunschkarten. Sie verkauft auch Meterware, etwa für Trachten. Die Nachfrage steige, sagt die 55-Jährige. »Viele Kunden wollen Individuelles haben.«

Blaudruckmotive sind auch andernorts gefragt. Georg Stark betreibt zum Beispiel in Jever in Niedersachsen eine Blaudruckwerkstatt mit Laden. Der Verkauf sei konstant, sagt er. Er könnte eigentlich noch mehr produzieren. Stark setzt auf Dekore aus vergangenen Jahrhunderten. Dazu zählen Granatapfelmotive, Pfauenfedern und Nelken. Seine Kunden kommen aus ganz Deutschland, der Tourismus in der Region nutze seinem Geschäft.

Obwohl die Zahl der Blaudruckwerkstätten in Deutschland überschaubar ist, ist die Technik hierzulande im Europavergleich noch am lebendigsten, erklärt die Künstlerin Lisa Niedermayr. Sie lehrt an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Einige Werkstätten existierten auch in Tschechien, Österreich, Ungarn und der Slowakei. Aus ihrer Sicht erlebt der Blaudruck eine Renaissance, was auch damit zu tun habe, dass für viele Konsumenten Nachhaltigkeit bei Textilien wichtig sei. Modedesigner, aber auch Künstler greifen wieder gerne die Technik des Blaudrucks auf.

Blaudruckstoffe spielen auch bei Trachtenkleidung eine Rolle, wie der Deutsche Trachtenverband mitteilte. Er kommt von Freitag an in Lübben im Spreewald zum Deutschen Trachtentag zusammen. Zum Beispiel komme der Blaudruck in Arbeitstrachten in Thüringen vor. Auch bei sorbischen Trachten ist der verarbeitete Stoff zu finden. Unter Trachtenverbänden sei Blaudruck immer wieder ein Thema, weil der Markt für die Stoffe eingeschränkt ist, sagt Verbandspräsident Knut Kreuch. Teilweise werde der Stoff aus dem Ausland bezogen. dpa/nd

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