Auf Fahrrädern gegen die Kohle in Brandenburg

Das Lausitzcamp ging in diesem Jahr auf Tour – eine Woche fuhren Aktivisten durch das Tagebauland

  • Lesedauer: 4 Min.

Ein sonniger Freitag im Süden Brandenburgs. Etwa 50 Menschen sind auf Fahrrädern zum Braunkohletagebau Jänschwalde unterwegs. Von einem Lastenrad spielt eine solarbetriebene Musikanlage Reggae, viele Fahrräder tragen Aufschriften wie »Stop Coal!« – stoppt die Kohle. Dass das keine normale Radtour ist, merkt man spätestens, wenn man nach oben schaut: Eine Drohne schwebt über der Gruppe, vor und hinter ihr fahren Polizeiautos.

Am Aussichtspunkt neben dem Tagebau und direkt vor den »Betreten verboten!«-Schildern steigen die Radfahrer ab. Sie gehören zum Lausitzcamp, dem traditionellen Aktionscamp der Anti-Braunkohle-Bewegung, das 2017 zum ersten Mal als Radtour stattfindet. Nachdem im vergangenen Jahr das Bündnis »Ende Gelände« zu Gast war, habe man nach Alternativen zu einem Camp am festen Ort gesucht, sagt Josephine Lauterbach vom Lausitzcamp. Das Ziel: eine Dialogplattform bieten für Braunkohlegegner und Befürworter, dabei verschiedene Orte besuchen und damit ein Zeichen gegen den Kohleabbau setzen. Die Aktivisten kritisieren, dass die Lausitz trotz der beschlossenen Klimaziele immer noch auf die klimaschädliche Kohle setzt.

Zu Pfingsten 2016 waren Tausende Aktivisten dem Aufruf von »Ende Gelände« gefolgt und hatten über mehrere Tage Kohlebagger und Bahngleise blockiert. Das hat wohl auch die Polizei nicht vergessen. Diesmal kann sie sich aber entspannen. Niemand will in den Tagebau hinein, stattdessen gibt es für die Lausitzcamper einen Vortrag über die Grube und das nahe gelegene Dorf Grießen. Dessen Häuser stehen direkt an der Tagebaukante, die Bewohner leiden unter Lärm, Staub und Sand. Auch vom ständigen Quietschen der Förderbrücke können sich die Aktivisten selbst überzeugen.

Seit vier Tagen schon ist die Gruppe in der Lausitz unterwegs. Die Tour hatte am Montag mit einer Protestaktion vor der Cottbuser Zentrale der Lausitz Energie AG (Leag) begonnen, die die Tagebaue und Braunkohlekraftwerke in der Lausitz betreibt. Für eine Nacht hatten die Aktivisten ihre Zelte auch auf einer Wiese im Dorf Proschim direkt neben dem Tagebau Welzow-Süd aufgeschlagen. Das Dorf ist immer noch vom Tagebau bedroht, denn im von der Leag erst Ende März verkündeten Revierkonzept steht, dass über die Erweiterung des Tagebaus erst 2020 entschieden werden soll. Sollte Welzow-Süd II wirklich noch kommen, muss Proschim umgesiedelt werden.

Der Tagebau Jänschwalde, den die Aktivisten vom Aussichtspunkt aus gesehen haben, soll immerhin nicht um das Teilstück Jänschwalde-Nord erweitert werden. Durch die idyllische Landschaft, die nun nicht den Baggern zum Opfer fallen wird, kommen die Radler über Feld- und Waldwege auch nach Kerkwitz. Es ist eines der drei Dörfer, die den Kohlebaggern durch die Entscheidung vom März gerade noch so entgangen sind.

»Der überwiegende Teil der Menschen im Dorf ist über diese Entscheidung sehr froh«, erzählt Roland Lehmann, der Kerkwitzer Ortsvorsteher. Das Dorf hatte seit 2007, als der damalige Betreiber Vattenfall seine Pläne für die Tagebauerweiterung veröffentlichte, gegen die drohende Umsiedlung protestiert. »Der Widerstand war so breit aufgestellt wie in der gesamten Geschichte der Kohle noch nicht. Wir hatten unheimlich viele Unterstützer«, sagt Lehmann. Er will die anderen Dörfer, die immer noch bedroht sind, weiter unterstützen. Dass die Menschen in Proschim noch bis 2020 warten sollen, bis sie wissen, ob sie bleiben dürfen oder nicht, macht ihn wütend: »Die Landesregierung muss der Leag sagen, dass man so mit den Leuten nicht umspringen kann.« Das kritisieren auch die Aktivisten des Camps, das am Samstag mit einer Abschlussaktion vor dem Kraftwerk Jänschwalde endet: »Der Tagebau Welzow-Süd II darf nicht kommen«, fordert Josephine Lauterbach. »Wir richten uns sowohl an die Leag als auch an die brandenburgische und sächsische Landesregierung, keine neuen Tagebaue aufzuschließen und den Kohleausstieg schnellstmöglich einzuleiten.«

Zurücklehnen will man sich auch in Kerkwitz noch nicht: »Die Kohlevorranggebiete, die in der Landesplanung festgeschrieben sind, müssen aus dem Landesentwicklungsplan raus«, sagt Lehmann. Erst dann könne man sicher sein, dass sich das Thema erledigt hat. In Kerkwitz geht es aber erst mal um Grundsätzliches: »Wer zum Tode verurteilt ist, wird keine große Lebensplanung mehr machen. Das ändert sich jetzt alles«, sagt der Ortsvorsteher. Als erste Investition in die Zukunft im Dorf seit zehn Jahren wird eine baufällige Brücke über die Bahnstrecke saniert.

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