Italien: Neuwahlen ante portas
Vorschlag für Abstimmungsänderung könnte Konsens finden / Börsen beunruhigt
Italicum heißt ein neues Wahlgesetz. Es sollte die größte Reform sein, die Matteo Renzi in seiner Amtszeit anschieben wollte. Dies ist jedoch weder dem Chef der Demokratischen Partei (PD) noch seinem Nachfolger als Ministerpräsident, Paolo Gentiloni, gelungen.
Die Bewegung 5 Sterne (M5S) kommt nun mit einem Vorschlag, dem auch die Demokraten zustimmen könnten: Wahlen sollten nach deutschem Vorbild mit einem doppelten Listensystem abgehalten werden, die Hälfte der Abgeordneten würde per Direktmandat, die zweite Hälfte über einen Listenproporz in das Parlament einziehen. Die Spitzen von PD und M5S trafen sich zu Wochenbeginn, um mit diesem Kompromiss der Endlossuche nach einem verfassungskonformen Wahlrecht ein Ende zu bereiten.
Renzi erklärte am späten Montagabend, die Lösung sei zwar nicht seine Lieblingsvariante, er wolle sich jedoch nicht in den Weg stellen. Renzi forderte eine Fünf-Prozent-Hürde sowie eine deutliche Namensnennung auf den Wahllisten.
Ein deutliches Nein zu dem in Aussicht stehenden Wahlrecht kam vom Juniorpartner der aktuellen Koalition. Der Außenminister und Vorsitzende der Neuen Rechten Mitte (NCD), Angelino Alfano, sieht die Chancen seiner Partei, in ein neues Parlament einzuziehen, deutlich schwinden. Zwar könnte sich der einst von Silvio Berlusconis Popolo della Liberta Abtrünnige ein persönliches Mandat ausrechnen, doch politische Wirkung dürfte von einer geschwächten NCD nach den Wahlen nicht mehr ausgehen.
Berlusconi selbst hingegen signalisierte eine mögliche Zustimmung. Sollte die erforderliche Quote am kommenden Montag erreicht werden, könnte bereits im Herbst gewählt werden. Dann käme nach dem Krisentief 2011 erstmals wieder eine vom Volk gewählte Regierung in die Verantwortung.
Von Börse und Wirtschaft wird die Nachricht - die eigentlich die ewige Suche nach einem Wahlgesetz beenden sollte - verstört und beunruhigt aufgenommen.
Beunruhigt zeigten sich auch der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und Bundesbankchef Jens Weidmann. Ein unsicherer Wahlausgang - nach den derzeitigen Konstellationen ist keine regierungsfähige Mehrheit abzusehen - in einer instabilen politischen Lage könnte die Wirtschaftserholung weiter gefährden.
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