Klebrige Finger abwischen

Heiß ersehnt: Die fünfte Staffel von »House of Cards« ist der Realität näher als beabsichtigt

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Wir haben »House of Cards« während der Obama-Jahre als politische Fantasie geschaut, und dann … »ist es wirklich so gekommen«. So vervollständigte die Schauspielerin Robin Wright die Frage des »Variety«-Journalisten bei einem Interview Ende Mai. Trump habe »alle unsere Ideen geklaut«, so die Schauspielerin, die in der Serie die Präsidentengattin Claire Underwood spielt. Seit Anfang Juni läuft die fünfte Staffel von »House of Cards«. Sie zeigt, wie sich das Politdrama in Washington in Richtung autoritärer Herrschaft weiterentwickelt, doch die Frage ist, ob die Realität die Serie überholt hat. Die Macher von »House of Cards« haben in ihrem Marketing die aktuellen politischen Entwicklungen perfekt zur eigenen Inszenierung genutzt. Den ersten Trailer zur neuen Staffel veröffentlichte Netflix am 20. Januar, dem Tag der Vereidigung von Donald Trump. Darin zitiert eine Gruppe Kinder den Eid auf die US-amerikanische Fahne. Doch die flattert falsch herum im Wind: nach dem amerikanischen Flaggengesetz ein Notsignal. Zu bedrohlicher Musik zoomt die Kamera aus der wehenden Fahne heraus. Im Hintergrund ist das Kapitol und ein dunkelgrauer Himmel zu sehen. So wird aus dem Fahneneid eine düstere Szene.

Die neue Staffel startet mitten im Wahlkampf zwischen Underwood (Kevin Spacey) und seinem Herausforderer Will Conway, dem Gouverneur von New York. Gleich in der ersten Folge setzt Underwood seine bereits in der vierten Staffel praktizierte »Vorwärtsverteidigung« fort, von nun an durch die Verbreitung von Angst und Schrecken zu regieren: »Wir beugen uns dem Terror nicht, wir selber machen den Terror.«

Statt eine Untersuchung eines Kongress-Komitees zu seiner Person zu akzeptieren, fordert er vom Kongress die Kriegserklärung gegen die Terrororganisation ICO. In den nächsten Folgen polemisiert Underwood gegen »Bla-bla-Gesetze«, die seine Macht bei der angeblich nötigen Terrorbekämpfung einschränken, und manipuliert mithilfe eines Computerspezialisten die Wahlen.

»Ich weiß, was die Amerikaner brauchen, sie sind wie Kinder, wir müssen ihnen ihre klebrigen Finger abwischen« - mit kalter Stimme erklärt Präsident Underwood seine Verachtung für seine Wähler. Im Folgenden muss ein fassungsloser Herausforderer am Wahlabend seine Niederlage hinnehmen.

Die Vision des Präsidenten Underwood für die Zukunft ist: »Underwood 2020, 2024, 2028, 2032, 2036«. Erst soll Frank Underwood selbst Präsident sein, dann seine Frau. Sein Wahlkampfslogan ist von nun an noch schlichter: »Eine Nation unter Underwood«. Doch die neue Staffel spinnt auch die Beziehung zwischen Underwood und seiner beherrschten Gattin Claire weiter, die sich abermals zur Bedrohung für ihren Mann entwickelt. Sie verbündet sich mit Beraterin LeAnn Harvey, um irgendwann die Präsidentschaft zu übernehmen.

Hacking im Wahlkampf? Ein Untersuchungskomitee gegen den Präsidenten? Ein Präsident, der die Justiz lächerlich macht? Parallelen zur Präsidentschaft Trumps, wie etwa wortgleiche Sprechchöre von Gegendemonstranten, seien »rein zufällig«, erklärte vor kurzem die »House-of-Cards«-Darstellerin Neve Campbell, die in der Serie die politische Beraterin des Präsidentenpaares spielt. Das Skript zur Serie sei schon geschrieben gewesen, bevor die politischen Ereignisse in den USA »wirklich verrückt« geworden seien, sagte sie. Im Vergleich zur politischen Realität könne man nach einer Folge »House of Cards« ausschalten, doch auf CNN gehe das Geschehen in der realen Welt weiter.

Die Realität habe die Serie überholt, monieren Filmkritiker in den USA, die daran zweifeln, dass die, von der ständigen Berichterstattung über eine mögliche Russland-Verstrickung Trumps ermüdeten Amerikaner noch ein ähnlich gelagertes Politdrama sehen wollen. Man habe bessere Schreiber als Trump, witzelte Kevin Spacey dazu vor kurzem. Doch »House of Cards« habe immer noch ein aufklärerisches Potenzial, meinen andere Kritiker. Im Gegensatz zu Trump guckt Frank Underwood nämlich immer wieder direkt in die Kamera und durchbricht die »Vierte Wand«. Er philosophiert dann über die Natur des Menschen und erläutert seine politische Strategie, die aus Ablenkung und Angsterzeugung besteht, eine Erklärung der Ära Trump: »Willkommen zum Tod des Zeitalters der Vernunft!«

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