Katar: Dorn im Auge des Königs von Riad

Das Emirat im Hinterhof Saudi-Arabiens hat sich mit ein wenig politischer Freizügigkeit unbeliebt gemacht

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.

Saudi-Arabien und die ihm ergebenen arabischen Staaten haben auch am Dienstag ihren Boykott gegen das Emirat Katar aufrechterhalten und teilweise verschärft. Bei den komplexen ergriffenen Maßnahmen ist das Ziel einer möglichst schnellen wirtschaftlichen Strangulierung des Nachbarn unverkennbar: Dem Luftverkehrsboykott und der Grenzschließung folgte inzwischen ein umfassender Warenlieferstopp aus Saudi-Arabien. Dem zum Feind erklärten Staat soll keine Zeit für Gegenmaßnahmen gelassen werden. Ein schneller Sieg soll her, denn die Zeit, so spekuliert Riad offenbar, hat das Königreich nicht auf seiner Seite.

Flankiert wird das abrupt ausgesprochene Handels- und Verkehrsembargo von einer saudischen Propagandaoffensive, die neben einer pauschalen Verunglimpfung des Nachbarn stets in dem Vorwurf gipfelt, Katar sei ein Unterstützer des internationalen Terrorismus. Letzteres kann man durchaus so sehen. Es ist immer die Frage, wie man Terrorismus definiert. Katar hat sich 2011 massiv in Libyen eingemischt, »Rebellen« mit Geld und Waffen ausgestattet und am Luftkrieg teilgenommen. Das alles wurde allerdings nicht nur im Westen goutiert, sondern auch von den arabischen Monarchien wie Saudi-Arabien.

Ähnlich Katars »Engagement« in Syrien, wo man seit Ausbruch der Kämpfe als Sponsor regierungsfeindlicher Milizen auftritt. Das alles tut jedoch Saudi-Arabien in mindestens gleicher Weise, nur dass es andere dschihadistische Milizen sind. Einig waren sich Katar wie Saudi-Arabien stets darin, so wie Muammar al-Gaddafi in Libyen auch Baschar al-Assad in Syrien stürzen zu wollen.

Doch die Konflikte haben in jüngster Zeit zugenommen. Vor allem zwei Gründe dürften dafür ausschlaggebend gewesen sein: Erstens hat Saudi-Arabien unter König Abdullah, der von 2005 bis 2015 regierte, und seinem Nachfolger Salman, dem aktuellen Regenten, seine außenpolitische Zurückhaltung völlig aufgegeben. Bis vor etwa zehn Jahren begnügte man sich damit, als ökonomisch hochpotentes Mitglied der Arabischen Liga von allen anderen als Herzstück der muslimischen Welt und Hüter der heiligen Stätten Mekka und Medina den allseitigen Respekt zu genießen. Damit ist es vorbei. Saudi-Arabien verlangt die politische Führungsrolle innerhalb der Liga, besonders aber auf der Halbinsel die uneingeschränkte Unterordnung der Nachbarn.

Zweitens versucht Saudi-Arabien seit Abdullahs Herrschaft, mit einem vorher nicht dagewesenen Ideologieexport sein mittelalterliches wahhabitisch-muslimisches Herrschaftsmodell gegen jedwede Modernisierung zu konservieren. Schiiten, die größte Minderheit im Islam, werden von den einflussreichen religiösen Stiftungen in Saudi-Arabien als Ungläubige hingestellt, die es zu bekämpfen gilt. Ein Staat wie Syrien, in dem bis zum Kriegsausbruch religiöse Toleranz herrschte, stand und steht in Saudi-Arabien ganz oben auf der Abschussliste.

Zum saudischen Feindbild zählen aber nicht zuletzt auch die Muslimbruderschaften in den verschiedenen arabischen Staaten, die wiederum in Katar bisher eine Art Schutzmacht hatten. Darüber kam es in den vergangenen Jahren bereits zu heftigen katarisch-saudischen Spannungen. Nachdem das ägyptische Militär 2013 den von den Muslimbrüdern gestellten Präsidenten gestürzt und die Bruderschaft zur Terrororganisation erklärt hatte, waren einige ihrer Führer nach Katar geflohen. Riad drohte damals bereits mit Isolierung der ungeliebten Herrscher in Doha. Die aber fügten sich und schoben die ägyptischen Muslimbrüder in die Türkei ab.

Was allerdings zum großen Ärger der Saudis und ihrer notorisch von saudischen Darlehen abhängigen Freunde in Kairo weiterging, waren die Sendungen von Al Dschasira, jenem katarischen Fernsehsender, der aufgrund seiner relativen Unabhängigkeit und politischen Offenheit die unangefochtene Meinungsführerschaft in der arabischen Welt besitzt. In Ägypten wurden seine Korrespondenten von der Militärregierung ausgewiesen, in Saudi-Arabien geschah es jetzt, weil Al Dschasira eine Grußbotschaft des katarischen Emirs Scheich Tamim bin Hamad Al Thani an den iranischen Präsidenten anlässlich dessen Wiederwahl verlas. Iran aber wurde, weil der Schiismus dort Staatsreligion ist, von Riad zum Hauptfeind erklärt.

Katar glaubte, sich diese Freizügigkeiten aus zwei Gründen leisten zu können: zum einen aufgrund seines märchenhaften Reichtums - kein Staat verfügt über ein höheres Pro-Kopf-Einkommen; zum anderen, weil die USA eine Luftwaffenbasis mit 10 000 Soldaten unterhalten. Da sollte keine aggressive Aktion aus Saudi-Arabien drohen. In Riad aber hat man wohl die demonstrative Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump auch als Freibrief zur Disziplinierung Katars verstanden.

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