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Comey nennt Trump-Regierung »Lügner«

Früherer Geheimdienstchef gab interne Infos an Medien weiter / Ex-FBI-Chef sagt vor Geheimdienstausschuss aus / Weißes Haus: »Der Präsident ist kein Lügner«

  • Lesedauer: 4 Min.

Washington. Heftige Vorwürfe: Der von Trump entlassene FBI-Chef James Comey hat am Donnerstag den US-Präsidenten offen als Lügner bezeichnet und dem Vorwurf einer möglichen Einflussnahme auf die Justiz weitere Nahrung gegeben. Das Weiße Haus reagierte umgehend. Trump sei kein Lügner, sagte dessen Sprecherin Sarah Sanders.

Comey kritisierte, Trumps Regierung habe seine Entlassung als FBI-Chef mit einer schlechten Führung und einer schwachen Position der Bundespolizei begründet. »Dies waren Lügen, schlicht und einfach«, sagte er am Donnerstag auf eine Frage des Ausschussvorsitzenden Richard Burr (Republikaner). Er gehe inzwischen davon aus, dass die Russland-Affäre die entscheidende Komponente seiner Entlassung war.

Comey vertiefte seinen Vorwurf, Trump habe versucht, ihn anzuweisen, Ermittlungen gegen den inzwischen entlassenen Nationalen Sicherheitsberater Michael Flynn fallenzulassen. Trumps Worte: »Ich hoffe, Sie sehen einen Weg, das fallen zu lassen, von Flynn abzulassen«, habe er als Anordnung verstanden. Die Worte waren laut Comey im Oval Office gefallen, nachdem Trump weitere Teilnehmer eines zuvor stattgefundenen Treffens hinausgebeten hatte, darunter auch Comeys Vorgesetzten, Justizminister Jeff Sessions.

In Trumps republikanischer Partei herrschen Zweifel, ob der Ausdruck einer Hoffnung juristisch eine klare Anweisung sein kann. Demokraten sehen in der Formulierung dagegen den Vorwurf bestätigt, Trump habe sich der Einflussnahme auf die Justiz schuldig gemacht. »Mein Eindruck war, er wollte etwas von mir dafür, dass ich meinen Job behalten kann«, sagte Comey. Der frühere FBI-Chef gab auch zu, dass er selbst Informationen über ein Gespräch mit Trump über einen Freund an die Medien geleitet hatte, um so die Einsetzung eines Sonderermittlers zu erreichen.

Neues Licht schien auch auf die Position von Justizminister Sessions, der sich wegen möglicher Befangenheit aus den Ermittlungen in der Russland-Affäre heraushalten muss. Es gebe Gründe für diesen Schritt Sessions, die der Öffentlichkeit noch nicht bekannt seien, sagte Comey vielsagend. An die Anhörung sollte sich am Nachmittag (Ortszeit) eine nicht-öffentliche Sitzung anschließen. Viele Fragen von Senatoren verwies Comey wegen des Geheimhaltungscharakters der Angelegenheit in diesen Teil der Anhörung. Darunter waren auch Fragen zu einem von einem britischen Ex-Spion erstellten, kompromittierenden Dossier über Trump.

Der 56-Jährige, den Senatoren beider Parteien am Donnerstag erneut als hochgradig integren Menschen und ausgezeichneten Strafverfolger bezeichneten, hatte bereits am Tag zuvor im Vorgriff auf die Anhörung ein schriftliches Statement veröffentlicht. Daraus wird deutlich, dass Trump auch explizit Loyalität von Comey verlangte. Dies ist unüblich, da die Bundespolizei als unabhängige Behörde angesehen wird, die im Zweifel auch gegen die Regierung ermitteln muss.

Ob es sich jedoch tatsächlich um eine unzulässige Einflussnahme handelte, müsse der inzwischen eingesetzte Sonderermittler Robert Mueller herausfinden, sagte Comey. Er selbst sei nicht in der Position, das zu beurteilen.

Comey erklärte während der Anhörung auch, er habe von fast allen seiner neun Begegnungen mit Trump - teilweise am Telefon, teilweise persönlich - unmittelbar Gesprächsnotizen angelegt. »Ich hatte den Eindruck, es könnte sein, dass ich die Aufzeichnungen brauchen werde, nicht nur um mich selbst zu verteidigen, sondern auch das FBI«, sagte Comey. Er habe die Befürchtung gehabt, dass Trump später nicht die Wahrheit über den Inhalt der Unterredungen sagen würde. Sollte es Audio-Aufzeichnungen von den Gesprächen geben, ermunterte Comey das Weiße Haus, diese vollständig zu veröffentlichen.

Der frühere FBI-Chef betonte, er habe keinerlei Zweifel, dass Russland die Computer von US-Regierungsorganisationen und regierungsnahen Einrichtungen gehackt habe, um Einfluss auf die Wahlen 2016 zu nehmen. Erste Erkenntnisse über Hacking-Angriffe habe es bereits im Sommer 2015 gegeben. Die Bedrohung sei keineswegs zu Ende, sondern gehe auch nach der Wahl 2016 weiter. »Sie kommen zurück.« Seitens der Demokraten wird der Trump-Regierung vorgeworfen, das Wahlkampflager des Präsidenten habe die Angriffe orchestriert oder zumindest wissentlich in Kauf genommen.

Die Anhörung vor dem Senatsausschuss, normalerweise eine trockene Angelegenheit, die fast ausschließlich von Fachleuten verfolgt wird, wurde für das politische Washington schon im Vorfeld zum öffentlichen Event. Kommentatoren verglichen die Aufmerksamkeit scherzhaft mit dem Superbowl, dem Endspiel der American-Football-Profiliga. Bars in der Stadt öffneten früh am Vormittag und boten Motto-Partys mit Public-Viewing-Events an. Agenturen/nd

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