Inferno in London

Nach dem verheerenden Brand eines Hochhauses werden Vorwürfe zu - bekannten - Sicherheitsmängeln laut

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Der verheerende Brand eines Wohnblocks im Westen Londons hat zu Kritik an der verantwortlichen Lokalverwaltung geführt. Das Feuer, das in der Nacht auf Mittwoch ausbrach und das gesamte 24-stöckige Hochhaus Grenfell Tower in Flammen aufgehen ließ, hat mindestens sechs Todesopfer und über 60 Verletzte gefordert. Einzelne Wohnungen brannten noch mehr als zwölf Stunden nach Ausbruch des Feuers.

Viele Anwohner konnten sich aus dem Gebäude retten, aber die Londoner Polizei bestätigte, dass sechs Menschen den Tod fanden. Sie geht davon aus, dass die Zahl der Todesopfer noch ansteigen wird. Dutzende Anwohner wurden mit Rauchvergiftungen in Kliniken in der ganzen Stadt eingeliefert. 74 Menschen befinden sich laut den Notfalldiensten in Krankenhäusern, 20 von ihnen in kritischem Zustand. Dutzende Anwohner sind vorübergehend in umliegenden Kirchen und Gemeindezentren untergebracht worden.

Über die Ursachen des Brands hatten die Behörden bis Mittwochnachmittag keine Angaben gemacht. Anwohner sagten jedoch gegenüber den Medien, dass der Gemeinderat von Kensington and Chelsea, der für die Verwaltung und Instandhaltung des Blocks verantwortlich ist, mehrere Warnungen über mangelnde Sicherheit im Gebäude ignoriert hätten. Bereits vor vier Jahren wurden Sicherheitsbedenken geäußert, weil beispielsweise die Feuerlöscher veraltet waren und die geltenden Sicherheitsvorkehrungen nicht regelmäßig überprüft wurden.

Sanierungsarbeiten im Wert von zehn Millionen Pfund (11,4 Millionen Euro), die 2016 abgeschlossen wurden, hatten den Brandschutz offensichtlich nicht verbessert. Insbesondere die Verkleidung an der Fassade, die im Zug der Renovierung angebracht wurde, ist laut Sicherheitsexperten dafür verantwortlich, dass sich das Feuer so schnell ausbreiten konnte. Die Kampagne Grenfell Action Group, die sich für eine nachhaltige Wohnungspolitik einsetzt, schrieb im vergangenen November, dass anscheinend nur »ein katastrophaler Zwischenfall« die bestehenden Risiken vor Augen führen könne.

David Collins, ein Mitglied der Anwohnervereinigung von Grenfell Tower, sagte gegenüber der BBC, dass sie dem Gemeinderat von Kensington and Chelsea wiederholt Bedenken über die Feuersicherheit gemeldet hätten, die bei der Sanierung ignoriert worden seien - etwa in Bezug auf Notausgänge und Beleuchtung. »Ich sprach mit Ratsmitgliedern, aber sie weigerten sich, die Sache zu untersuchen«, sagte Collins.

Das Problem mangelnder Sicherheit in Wohnblocks wird in Großbritannien seit Jahren diskutiert. Nachdem 2009 ein Brand in einem Hochhaus im Süden Londons mehrere Todesopfer forderte, gab ein Parlamentsausschuss eine Reihe von Empfehlungen ab, wie die Feuersicherheit in solchen Gebäuden verbessert werden kann. Konkrete Maßnahmen sind jedoch bislang ausgeblieben.

Wie viele Hochhäuser in der britischen Hauptstadt stammt Grenfell Tower aus den 70er Jahren, als die Londoner Behörden im großen Stil neuen Wohnraum schufen. Viele dieser Gemeindebauten litten aber in den folgenden Jahrzehnten an mangelnder Instandhaltung, weil die Lokalbehörden nicht genügend Geld für Sanierungsarbeiten zur Verfügung stellten. Ende der 90er Jahre wurden die Kosten der nötigen Renovierung landesweit auf 19 Milliarden Pfund geschätzt. Das Geld, das die Kommunen von der Zentralregierung erhalten, ist in den vergangenen sieben Jahren drastisch gekürzt worden, wodurch die Möglichkeiten, die nötigen Arbeiten vorzunehmen, weiter eingeschränkt worden sind.

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