Smartphones sind nicht nur ein Segen

Digitale Angebote halten zunehmend Einzug in die logopädische Therapie

  • Lesedauer: 3 Min.

Mainz. Live-Chats mit dem Arzt statt Behandlung in der Praxis, Gesundheits-Apps statt Untersuchung vor Ort: Die Medizin- und Gesundheitsbranche digitalisiert sich zunehmend. Auch in der Logopädie, also der medizinischen Sprachheilkunde, spielen Smartphones und Tablets eine immer wichtigere Rolle. Spezielle Apps etwa sollen Patienten beim Üben helfen. Allerdings sei die Zahl der deutschsprachigen Angebote noch sehr überschaubar, berichtete der Bundesverband für Logopädie am Donnerstag zum Auftakt seines Jahreskongresses in Mainz.

Eines der wenigen digitalen Therapiesysteme ist an der Ludwig-Maximilians-Universität in München entwickelt worden: Eine Datenbank mit einem riesigen Wortschatz, aus der Fotos, Videos, Texte und Eigenschaften des Wortes ausgegeben werden können, wie Doktorandin Hanna Jakob erklärte. Gedacht sei die App vor allem für Schlaganfallpatienten. »Ein Patient bekommt zum Beispiel ein Bild gezeigt und soll den Begriff nennen. Das wird von der Software erkannt«, erläuterte sie.

Die App solle ergänzend zur Therapie mit einem Logopäden eingesetzt werden, sagte Jakob weiter. Denn Schlaganfallpatienten müssten fünf bis zehn Stunden pro Woche üben, bekämen aber meist nur eine Stunde pro Woche verordnet. »Diese Lücke muss man auffüllen.« Auch sei es unzeitgemäß, wenn Logopäden noch immer Aufgabenblätter kopieren müssten. Klar sei aber auch: Eine App alleine reiche nicht. »Erfahrungsgemäß wird sie nach einiger Zeit nicht mehr benutzt. Da lässt die Motivation dann nach.«

Juliane Mühlhaus, Logopädin an der Technischen Universität in Dortmund, sieht in der Digitalisierung auch Risiken, etwa den Datenschutz. Es seien noch keine Standards entwickelt worden, um den Schutz der Patientendaten, aber auch die Qualität und Bedienbarkeit der Angebote bewerten zu können. Auch solle die Digitalisierung in der Ausbildung zukünftiger Logopäden sowie bei der Fort- und Weiterbildung einen wichtigen Platz einnehmen.

Dietlinde Schrey-Dern, Präsidentin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie, betont, dass digitale Medien indirekten Einfluss auf den Spracherwerb von Kindern hätten. Sprachfähigkeit entwickele sich nämlich im und durch den Dialog mit anderen, sagte sie. »Dabei können die neuen digitalen Medien durchaus stören, wenn dadurch die notwendige Kommunikation unterbunden oder stark reduziert wird.«

Warte ein Vater mit seinem Sohn an einer Bushaltestelle, solle er dem Kind erklären, was um sie herum passiere. Etwa: Da kommt der Bus, wir können einsteigen. »Wenn er stattdessen nur mit seinem Handy beschäftigt ist, fehlen solche Dialoge. Dies wirkt sich auf den Wortschatz des Kindes ebenso negativ aus wie auf die sprachliche Entwicklung insgesamt«, so Schrey-Dern. Je mehr gesprochen werde, desto besser entwickele sich die Sprache von gesunden Kindern. dpa/nd

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