Spaniens Premier hält sich im Sattel

Mariano Rajoy übersteht Misstrauensvotum von Unidos Podemos unbeschadet und steht dennoch vor einer schwierigen Zukunft

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit der Niederlage hatte Parteichef Pablo Iglesias gerechnet: Zwar will die drittstärkste Parlamentsfraktion Unidos Podemos (Vereint können wir es schaffen) den rechtskonservativen Ministerpräsident Mariano Rajoy stürzen, doch dass der Misstrauensantrag am Mittwoch scheitern würde, stand vorab fest. Es war erst der dritte Versuch dieser Art seit dem Ende der Franco-Diktatur im Jahr 1975. Die beiden ersten waren in den 1980er Jahren ebenfalls erfolglos geblieben.

Rajoy von der rechten Volkspartei (PP) hat seinen Hals noch mal aus der Schlinge gezogen, doch wie lange seine Minderheitsregierung im 350-Sitze-Parlament noch Bestand hat, ist offen. Die PP verfügt nur über 137 Sitze, offen unterstützt wird sie nur von den rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger), die 32 Sitze innehaben. Beide Fraktionen lehnten den Antrag geschlossen ab, eine weitere Stimme kam dazu. Den 170 Nein-Stimmen standen 82 Ja-Stimmen, davon 71 von Unidos Podemos. Die 84 Vertreter der Sozialisten (PSOE) enthielten sich wie angekündigt geschlossen der Stimme.

Für Unidos Podemos erfüllte die zweitägige Debatte am Mittwoch und Donnerstag dennoch ihren Zweck: Es gelang, die massiven Korruptionsskandale der PP breit anzuprangern: »Spanien ist es leid, ausgeraubt zu werden«, sagte die Podemos-Sprecherin Irene Montero, die den Misstrauensantrag begründete. Hinzu kommen Justizskandale. So sah sich das Verfassungsgericht gerade dazu veranlasst, die Steueramnestie der Regierung für illegal zu erklären. Mit der Amnestie sollten auch PP-Führer, die Schwarzgeld legalisiert hatten, aus der Schusslinie genommen werden.

Parteichef Pablo Iglesias nutzte die Gelegenheit vor allem, um wieder Brücken zu den Sozialisten (PSOE) zu bauen. Iglesias Fazit aus der Abstimmung: »Zustimmungen und Enthaltungen machen deutlich, dass es eine Mehrheit gibt, um die PP abzusägen.«

Zwischen Unidos Podemos und PSOE weht wieder ein frischer Wind, seit die PSOE-Basis in der Urwahl gegen den Parteiapparat rebelliert und Pedro Sánchez zum Generalsekretär gewählt hat. Der war im vergangenen Herbst von der Parteirechten abgesägt worden, da er am Versprechen festhielt, Mariano Rajoy nicht erneut an die Macht zu bringen. Dafür sorgte die PSOE-Interimsführung schließlich durch Enthaltung.

Der Annäherungsversuch von Iglesias wurde von der PSOE nicht brüsk zurückgewiesen, wie dies bei der Parteirechten vormals der Fall war. Der neue PSOE-Sprecher José Luis Ábalos dankte Podemos sogar für den neuen »Tonfall«. Iglesias Angebot, noch »in diesem Sommer« daran zu arbeiten, um Rajoy »vor Weihnachten« abzusägen, nahm er an. Ábalos verwies aber darauf, dass die PSOE-Fraktion stärker sei und beanspruchte die Führungsrolle. »Wir sind bereit, an alternativen Mehrheiten in diesem Parlament zu arbeiten, um ungerechte Politiken der PP zu beenden und gerechte Reformen voranzubringen.«

Iglesias hatte mit dem Wechsel bei der PSOE nicht gerechnet. Er wollte mit dem Misstrauensantrag vor allem die alte PSOE-Führung unter Druck setzen. Sein nachgeschobenes Angebot, den Antrag wieder zurückzuziehen, wenn die PSOE einen eigenen stelle, konnte zu diesem Zeitpunkt nicht aufgehen. Sánchez konnte darauf nicht eingehen, da seine neue Parteiführung erst am Wochenende auf einem Kongress gewählt wird.

Auch der PSOE-Chef hat sich in einem Artikel in der Zeitung »El Mundo« am Donnerstag positioniert. An dem Tag, an dem in Spanien vor 40 Jahren erstmals wieder gewählt wurde, schrieb er: »Ich werde mich anstrengen, um so schnell wie möglich eine breite parlamentarische Mehrheit zu erhalten, um die PP abzulösen.« Sánchez meint noch, das wäre nur über die Beteiligung der Ciudadanos möglich. Ein rotes Tuch für Podemos: Diese Partei sei »nicht gekommen, Spanien zu verändern, sondern um nichts zu verändern«, sagte Iglesias. Ob sich die Mehrheit findet, die die PP absägt, ist somit offen.

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