Willkommen im Ankunftszentrum

In Eisenhüttenstadt gibt es gleich Sprachtests und Berufsberatung für Flüchtlinge

Im Ankunftszentrum in Eisenhüttenstadt tritt Rodolphe aus dem Tschad an den Schreibtisch heran. Laura C. Steinhäußer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nimmt seine Hände und legt sie auf ein Gerät, das elektronisch die Fingerabdrücke erfasst. Der Computer arbeitet und gibt es Ergebnis aus. »Hier haben wir einen Treffer«, stellt Steinhäußer fest.

Das bedeutet, Rodolphe hat, bevor er die Bundesrepublik erreichte, schon mindestens einen anderen EU-Staat durchquert und ist dort als Asylbewerber registriert worden. Um welches Land es sich handelt, kann Steinhäußer noch nicht sagen. Diese Information hat der Computer noch nicht ausgespuckt. Doch es gilt die Regel, dass in der EU derjenige Staat für den Asylbewerber zuständig ist, den er zuerst erreichte. Für Rodolphe ist deswegen das Ankunftszentrum möglicherweise schon die Endstation in Deutschland und er muss dorthin zurück, wo seine Fingerabdrücke zuerst erfasst worden sind. Eine Etage höher, wo seit Donnerstag in einem beschleunigten Verfahren nun auch gleich die Sprachkenntnisse getestet und die Schul- und Berufsabschlüsse erfragt werden, wäre Rodolphe aber sowieso nicht gekommen. Das beschleunigte Verfahren ist nur für Syrer, Iraner, Iraker, Somalier und Eriträer gedacht, Menschen mit hoher Bleibeperspektive.

Dort auf dem Flur steht nun Finanzminister Christian Görke (LINKE). »Willkommen im Ankunftszentrum Eisenhüttenstadt«, hat ihn noch unten auf dem Hof der Dienststellenleiter Uwe Hanschmann begrüßt. »Meine 60 Kolleginnen und Kollegen freuen sich, Ihnen heute einen Einblick in unsere Arbeit und das Zusammenspiel mit anderen Akteuren zu geben.« Mitarbeiterin Carolin Jauß erklärt dem Finanzminister, was beim Sprachtest festgestellt wird: Ob der Asylbewerber Analphabet ist, ob er die lateinische Schrift beherrscht. Daran orientiert sich, welche Art von Deutschkurs erforderlich ist. Das wird dem Landkreis gemeldet, der den Flüchtling aufnehmen soll. Der schriftliche Test ist am Mittag bereits absolviert, nun werden die Ankömmlinge nacheinander zu mündlichen Tests gebracht.

In einem Zimmer schräg gegenüber informiert Karin Koschke von der Arbeitsagentur fünf Männer und eine junge Mutter aus Syrien über das deutsche Arbeitsrecht und das Vorgehen bei Bewerbungen. Ein Dolmetscher sitzt dabei. Gerade werden Fragebögen ausgeteilt. Die Syrer sollen ihre Schulabschlüsse und Berufsausbildungen eintragen und dabei vermerken, ob sie Zeugnisse vorlegen können. Koschke nimmt das Baby der jungen Mutter auf den Arm, damit diese den Fragebogen ausfüllen kann. Die Mutter sagt freundlich: »Danke.« Dieses deutsche Wort kann sie schon.

Bei den Männern stellt sich heraus, dass einer Abitur hat und eine Militärakademie der syrischen Armee besuchte, aber drei Monate vor dem Abschluss auswanderte. Ein anderer sagt, er sei Elektriker, habe das Handwerk von seinem Vater gelernt. Elektriker werden gesucht, weiß Koschke. Sie weiß aber auch, dass sich Flüchtlinge manchmal als Elektriker bezeichnen, obwohl sie in der Heimat auf dem Bau nur Hilfsarbeiter waren, die Kabel zogen und nichts installierten. Bei einem Mann, der sein Handwerk beim Vater lernte, geht sie aber davon aus, dass er Fachkenntnisse hat und vermittelt werden kann.

12 000 Flüchtlinge in Brandenburg seien arbeitssuchend gemeldet, erklärt Bernd Becking, Regionaldirektionschef der Arbeitsagentur. Viele tauchen nicht in der Arbeitslosenstatistik nicht auf, weil sie Sprachkurse oder Praktika machen. Immerhin seien aber bereits 2000 Flüchtlinge in Jobs vermittelt, wenngleich nicht alle in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. 20 Prozent kamen im Gastgewerbe unter, zehn Prozent im Handel. 281 Bewerber könnten am 1. September eine Berufsausbildung beginnen, freut sich Becking. Angesichts von 1800 Lehrstellen, die im vergangenen Jahr in Brandenburg unbesetzt blieben, macht ihm das Hoffnung. Wegen des Fachkräftemangels soll es eine »Schnellstraße zur Integration« geben, erste Auffahrt Eisenhüttenstadt.

Görke hat als Finanzminister ein Interesse daran, dass die Flüchtlinge schnell einen Platz finden und Steuern zahlen. Das Ankunftszentrum hat es im Moment jedoch nur mit 20 Flüchtlingen täglich zu tun. »Aber die Welt dreht sich und keiner weiß, was wird«, meint Görke. So viele Flüchtlinge wie noch nie kommen gegenwärtig übers Mittelmeer nach Italien. Die Bundesrepublik habe da eine Verantwortung, findet Görke. »Wir sind vorbereitet. Wir haben die Kapazitäten aufgebaut.« In Eisenhüttenstadt gibt es 1000 Plätze in der Erstaufnahme.

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