Werbung

Missraten, gefloppt, peinlich

Erfindungen im Museum des Scheiterns im schwedischen Helsingborg

  • Julia Wäschenbach, Helsingborg
  • Lesedauer: 3 Min.

Manche Erfindungen sind zu schön, um wahr zu sein. Fettfreie Chips zum Beispiel. Wer wünscht sich nicht, die sündige Knabberei ohne Gewissensbisse zu genießen? Im Gesundheitswahn der 90er Jahre wurde der Zusatzstoff Olestra zum Hit, der Kalorienzählen überflüssig machte. Aber nur kurz. Der Stoff hatte unangenehme Nebenwirkungen. »Das Problem war, dass man Durchfall davon bekam«, erzählt Samuel West. »Wenn du eine ganze Dose fettfreie Pringles gegessen hast, hast du danach eine Weile auf der Toilette festgesessen.« In seinem »Museum des Scheiterns« im südschwedischen Helsingborg zeigt West rund 70 gefloppte Erfindungen.

»Ich hatte genug von all den Erfolgsgeschichten«, sagt der Kurator mit isländisch-amerikanischen Wurzeln. »Es ist wichtig, Scheitern zu akzeptieren. Daraus können wir viel lernen.« 80 bis 90 Prozent aller Erfindungen seien Flops. Vor allem große Unternehmen kehrten das gern unter den Teppich. Viele hat der gelernte Psychologe kontaktiert. Niemand habe aber mit ihm sprechen wollen.

Dabei hätte West gern gewusst, was sich die Unternehmen bei manchen Erfindungen gedacht haben. Beim Kugelschreiber der Firma BIC nur für Frauen - in lila und pink, mit Glitzer verziert. »Warum? Weil Frauen keine normalen Kugelschreiber benutzen können?« Bei der Puppe, die über Stimmerkennung mit Kindern spricht und die Daten aus dem Kinderzimmer in US-Marketingzentralen weiterschickt. »Ist das nicht unheimlich?« Oder bei der Datenbrille Google Glass mit eingebauter Kamera. »Restaurants in San Francisco hatten eine Zeit lang Schilder an ihren Türen: ›Keine Hunde, kein Google Glass‹.«

Der Zahnpastahersteller Colgate hielt es in den 80er Jahren für eine gute Idee, den Markt der Tiefkühlgerichte zu erobern. Was für ein Fehlschlag! »Die Leute haben sich gefragt: Schmeckt das jetzt nach Zahnpasta?«, erzählt West. Auch das säuerliche Harley-Davidson-Parfüm kam bei Motorradfans nicht gut an, genau wie ein Donald-Trump-Brettspiel zum Ladenhüter wurde. »Zu Trumps gescheiterten Ideen hätte ich ein eigenes Museum machen können«, sagt der Kurator. »Trump-Wodka, Trump-Universität, Trump-Steaks ...«

Während manche Erfindungen nicht den Geschmack der Masse trafen, stellten sich andere als Schwindel heraus. Ein skandinavisches Forschungslabor machte vielen Hundehaltern vor einigen Jahren weis, dass sie das Bellen ihres Vierbeiners mit Hilfe eines Kopfhörers in Menschensprache übersetzen könnten, so West. »Es hört sich total dämlich an, aber die Leute haben es echt geglaubt.«

Nicht alle der Produkte, die West gemeinsam mit seinem Designer zum größten Teil selbst gesammelt hat, sind völlig in der Versenkung verschwunden. Auf einem Podest thront das elektrische Transportmittel Segway. Als es vorgestellt wurde, seien die Erwartungen riesengroß gewesen, sagt der 43-Jährige: »Es sollte das Auto und das Fahrrad ablösen. Heute ist es nur noch ein albernes Spielzeug für Touristen.«

Unter Wests Exponaten sind auch viele technische Geräte, die sich nicht durchsetzen konnten. Kurz vor dem VHS-Rekorder brachte Sony 1975 den Konkurrenten Betamax auf den Markt. »Es war das bessere Produkt«, sagt West. Aber Sony weigerte sich, Lizenzen an andere Firmen zu verteilen, während sich die Konkurrenzfirma JVC schnell ein Netzwerk an Partnern aufbaute und seinen Kunden mehr Filme im Format anbieten konnte. Mit der MiniDisc erlebte Sony später noch einmal einen Flop.

Im Museum will West nicht nur Flops ausstellen, sondern im Sommer auch zu Abendveranstaltungen einladen, bei denen Gäste zum Beispiel ein fehlgeschlagenes Gourmetmenü probieren oder einem Konzert mit gescheiterter Musik lauschen können. Eine deutsche Erfindung fehlt ihm für seine Sammlung noch. dpa/nd

Geöffnet täglich 12 bis 18 Uhr; Eintritt: 100 schwedische Kronen (rund 10 Euro)

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal