Woidke ermahnt die Medien

Ministerpräsident plädiert für journalistische Qualität und kritisiert als Polenbeauftragter Presse im Nachbarland

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit einer vernehmbaren Kritik am Nachbarland Polen ließ Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montagabend aufhorchen. Vor dem brandenburgischen Wirtschaftsforum wies er auf »massenhafte Entlassungen« im dortigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk hin. Die national-konservative Regierung in Warschau versuche, »die Medien unter ihre Kontrolle zu bringen«. Bezogen auf die Pressefreiheit habe Polen seinen Status verschlechtert, das sei eine »beunruhigende Entwicklung«, ließ Woidke, der Polen-Beauftragter der Bundesregierung ist, wissen.

Ansonsten befasste sich der Regierungschef vor etwa 200 Gästen aber vornehmlich mit der Situation des deutschen, speziell des brandenburgischen Journalismus. Dessen Freiheit könne mitunter für die Regierenden und die Mächtigen in Wirtschaft und Verbänden unbequem sein, doch sei dieser freie Journalismus eben »Sauerstoff« für eine funktionierende Demokratie. Es gelte, die Pressefreiheit als gelebtes Recht zu verteidigen.

Bezogen auf die Lage in Brandenburg mahnte Woidke, dass »die Verlagshäuser sowie TV- und Radiostationen in guten, aufklärenden Journalismus investieren« und sich nicht der »Hatz nach dem Klick« verschrieben. Der regionalen Berichterstattung komme eine hohe Bedeutung zu, doch angesichts rasant gesunkener Auflagezahlen stellte Woidke die Frage in den Raum, ob es in absehbarer Zeit überhaupt noch eine regionale Berichterstattung geben werde. Die Auflagenzahlen hätten sich seit der Jahrtausendwende halbiert, die tägliche Zeitung, die früher zu jedem Haushalt gehört habe, sei heute ein »Luxusprodukt« geworden. Die drei großen Verlagshäuser »Märkische Allgemeine Zeitung« (MAZ) in Potsdam, »Märkische Oderzeitung« (MOZ) in Frankfurt (Oder) und Lausitzer Rundschau in Cottbus hätten eine »Rosskur« hinter sich und den Rotstift dort angesetzt, »wo das Herz des regionalen Journalismus schlägt«.

Doch Zentralisierung und massiver Seiten-Abbau würden Fragen aufwerfen. So würden Menschen aus verschiedenen Gründen in Richtung »Jedermann-Medien« abgedrängt und dahin gelenkt, wo zum Teil haarsträubende Dinge passierten. Als Beispiel nannte Woidke das im Internet verbreitete Gerücht, die Behörden hätten die Gemeinde Leegebruch mutwillig unter Wasser gesetzt, um deren Eingemeindung nach Oranienburg zu beschleunigen. Mit dergleichen Unfug würden »die sozialen Medien vermint«. Die Zukunft »tickt digital«, wusste Woidke, doch er hoffe, dass auch eine fortgesetzt gute Wirtschaftsentwicklung zur Erhaltung des Qualitätsjournalismus beitrage.

»Es gibt zu wenige Menschen, die für digitalen Journalismus bezahlen«, schilderte die neue MAZ-Chefredakteurin, Hanna Suppa, das Problem aus Sicht journalistisch-verlegerischer Praxis. Dieses Problem gebe es nicht nur in Brandenburg, sondern weltweit. Ihre Zeitung habe jetzt 2500 Abonnenten der elektronischen MAZ. Das kompensiere zwar nicht die Auflagenverluste der vergangenen Jahre, dennoch bleibe die MAZ mit einer verkauften Auflage von 112 500 Exemplaren größte Abonnement-Zeitung im Raum Berlin-Brandenburg. Der Berliner »Tagesspiegel« etwa wurde mit einer täglichen Auflage von 109 000 Exemplaren angegeben. Der MAZ-Chefin zufolge sei die Zahl der Internet-»Besucher« ihrer Zeitung auf jetzt sieben Millionen Klicks im Monat gestiegen. Permanent registriere sie auf diese Weise, welche Themen bei den »Usern« in welchem Maße auf Interesse stießen. Das habe Einfluss auf die Themenwahl und unter Umständen auch auf die redaktionelle Arbeit für die gedruckte Ausgabe.

MAZ-Geschäftsführer Mark Becker skizzierte die Geschichte der 1890 von der SPD als »Märkische Volksstimme« gegründeten Zeitung, die zwischen 1946 und 1990 die Landes- und später die Bezirkszeitung der SED war, sich im Jahr 1990 in »Märkische Allgemeine Zeitung« umbenannte und von Verlag der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« gekauft worden sei. Inzwischen gehört die MAZ zur Madsack-Gruppe. Der Verlag widmet sich auch anderen Geschäftsfeldern, vermietet nicht mehr benötigte frühere Redaktionsräume, bietet Website-Gestaltung und andere Leistungen an. Die Einkommen der Mitarbeiter in Brandenburg seien die höchsten im deutschen Osten.

Als reichweitenstärkste Rundfunkstation der Region sieht sich »BB-Radio«. Habe man einst »Schlager, Oldies und gute Laune« verbreitet, so stehe sein Sender heute für die neusten Hits, betonte Programmchef Torsten Birenheide. Seine Behauptung, »BB-Radio« habe gar die rbb-Konkurrenz »Antenne Brandenburg« auf Platz zwei verwiesen, wurde just am Dienstag durch die jüngste Medienanalyse widerlegt. Als erfolgreiche Gründung nannte Birenheide das kommerzielle Kinderradio »Teddy«. Es sei »rein werbefinanziert« und erreiche inzwischen über die Region hinaus große Teile Deutschlands.

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