Mehr Gäste im Bauhauskomplex

Ehemalige Gewerkschaftsschule bekommt den Welterbestatus

»Die Bauhausschule in Dessau ist berühmt, die Gewerkschaftsschule in Bernau wird es jetzt werden«, so lautet die Erwartung von Landeskonservator Thomas Drachenberg. Am 9. Juni entschied die zuständige UNESCO-Kommission bei einer Sitzung im polnischen Kraków, dem schon seit 1996 als Welterbe eingestuften Bauhaus die ehemalige Gewerkschaftsschule in Bernau hinzuzufügen.

Der Gebäudekomplex, der sich stufenförmig an einen Hang anschmiegt, entstand Ende der 1920er Jahre nach Entwürfen des zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer und seines Kollegen Hans Wittwer. Der Komplex gelte als eine »Ikone der klassischen Moderne« und sei damals in Architekturzeitschriften bejubelt worden, erinnert Drachenberg.

Nur drei Jahre lang konnte der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbund den Bau als seine Bundesschule nutzen. Dann kamen die Faschisten an die Macht und missbrauchten die Räumlichkeiten später dazu, den fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz vorzubereiten und damit einen Anlass zu konstruieren, um Polen anzugreifen. In der DDR diente der Meyer-Wittwer-Bau wieder als Gewerkschaftsschule, wurde er durch einen zweiten Gebäuderiegel erweitert.

Heute nutzt die Berliner Handwerkskammer das Haus als Internat. Hier schlafen während ihrer Lehrgänge pro Jahr insgesamt mehr als 8000 Gerüstbau-Lehrlinge, erklärt Hauptgeschäftsführer Jürgen Wittke. Künftig wolle man versuchen, »das Besucherinteresse und das Ruhebedürfnis der Bewohner unter einen Hut zu bringen«. Tagsüber seien die Lehrlinge ja drüben im Bildungszentrum, da könne man Gäste hineinlassen, sagt Wittke am Mittwoch. Geplant ist der Neubau eines Besucherzentrum, das spätestens 2019 und damit im Jahr des 100. Bauhausjubiläums fertig sein soll. Erst einmal soll es einen Architekturwettbewerb geben.

Eine Millionen Euro werde das Besucherzentrum kosten, 670 000 Euro zahle der Bund, den Rest übernehme die Stadt Bernau (Barnim), rechnet Bürgermeister André Stahl (LINKE) vor. Führungen gibt es schon lange, zuletzt waren es 100 pro Jahr. Stahl erwartet, dass es nun deutlich mehr Führungen werden, wobei man zunächst »auf Sicht fahre«, weil noch nicht abzuschätzen sei, wie groß der Andrang durch das Prädikat Weltkulturerbe tatsächlich sein wird. Stahl ist aber überzeugt, dass der Welterbestatus dazu beitrage, »diesen weitestgehend noch immer verborgenen ›Schatz vor den Toren der Hauptstadt‹ einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen«. Dass dieses Prädikat nun zuerkannt wurde, sei der »lang ersehnte Lohn der Tüchtigen«, findet er. »Seit mehr als 25 Jahren engagieren sich viele Menschen aus der Region für die Rekonstruktion und den Erhalt des Bauhausdenkmals Bundesschule Bernau«, sagt der Bürgermeister und meint damit auch das Engagement eines seit 27 Jahren bestehenden Vereins, der die Führungen anbietet - inzwischen im Auftrag einer eigens gegründeten Stiftung.

Kulturministerin Martina Münch (SPD) hebt hervor, dass Brandenburg nach den preußischen Schlössern und Gärten nun über ein zweites Weltkulturerbe verfüge. Außerdem gebe es noch den Buchenwald Grumsin, der Weltnaturerbe ist. In der alten Gewerkschaftsschule verbinden sich Kultur und Natur. Aus den absichtlich großen Fenstern im Speisesaal eröffnet sich ein herrlicher Blick auf einen Nadelwald. »Die Anlage mit Internat, Schulungsräumen, Lehrerhäusern und Freiflächen steht für sozialpädagogische Ideen des Bauhauses und verbindet auf ideale Weise modernes Wohnen, Lernen und Erholung in einem weitgehend naturbelassenen Landschaftsraum«, schwärmt die Ministerin.

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