Ein Giftlager gleich in der Nachbarschaft

Rheinland-Pfalz: US-Depot für Gefahrgut soll wachsen

  • Maximilian Perseke, Germersheim
  • Lesedauer: 3 Min.

Zielstrebig steuert Dietmar Bytzek sein Auto auf einem Waldweg direkt auf den Zaun des US-Stützpunkts im südpfälzischen Germersheim zu. Ihm macht Sorge, was hinter dem Zaun geschaffen werden soll. Bis zu 1900 Tonnen zum Teil giftiger, ätzender und brennbarer Gefahrstoffe will die US-Armee dort sammeln. Das hat Politiker vor Ort auf den Plan gerufen, eine Bürgerinitiative soll gegründet werden. Bytzek, ein Sicherheitsingenieur aus der Autoindustrie, ist Mitinitiator.

Bisher waren auf dem Gelände lediglich 70 Tonnen zur Lagerung genehmigt. Gelagert werden auf dem US-Stützpunkt »übliche Konsumgüter für den Betrieb von Kraftfahrzeugen« und andere Gebrauchsgüter der US-Truppen, darunter Schmieröl, Enteisungs- und Hydraulikflüssigkeit, wie eine Anfrage der AfD-Fraktion beim Mainzer Umweltministerium ergab. 50 Tonnen »sehr giftiger Stoffe« könnten demnach hinzukommen.

Deren Lagerung hat die »Defense Logistics Agency/Distribution Europe«, Teil der weltweit größten Logistikeinheit des US-Verteidigungsministeriums beantragt - neben der Hallenerweiterung um das 27-fache. Bis zum 25. Juli war der Antrag für das mit 1,3 Millionen Euro veranschlagte Projekt öffentlich einsehbar, Einwände können noch bis 7. August eingebracht werden.

Derweil formiert sich in Germersheim und Lingenfeld Widerstand. Anfang August soll die Gründerversammlung der Bürgerinitiative in Lingenfeld stattfinden. »Das Lager könnte ein Ziel terroristischer Angriffe sein«, sagt der Germersheimer Bytzek. »Wenn da ein Lastwagen Geschwindigkeit aufnimmt, hat er genug kinetische Energie, um den Zaun zu durchbrechen.« Er selbst habe bisher etwa 20 Einzeleinwendungen eingebracht. »Wir Bürger wissen nicht genau, was da gelagert wird«. Oft sei nur von Lagerklassen die Rede, ohne genaue Stoffbezeichnung. Unter den »sehr giftigen Stoffen« ist in den ausgelegten Unterlagen Dimethylsulfat aufgeführt. Das sei ein Kampfstoff aus dem Ersten Weltkrieg, so Bytzek.

Die »immense Erweiterung« des Lagers stört auch den Lingenfelder Ortsbürgermeister, Erwin Leuthner (CDU). Die Orts- und die Verbandsgemeinde Lingenfeld haben sich gegen die Umbaumaßnahmen gestellt, die Halle liegt auf ihrem Gebiet. »Bei allen Ratsmitgliedern haben die Alarmglocken geläutet«, sagt Peter Beyer, der Vertreter des Lingenfelder Verbandsbürgermeisters. Nun gehe das Ganze bis nach Berlin, sagt Leuthner. Was die Baumaßnahmen betreffe, werde der Vorgang von rheinland-pfälzischen Behörden dem Verteidigungsministerium zur Entscheidung vorgelegt, sagt eine Sprecherin der Kreisverwaltung Germersheim.

Ortsbürgermeister Leuthner kritisiert mangelnde Informationen, über mögliche Terrorismusgefahr habe das US-Militär nicht aufgeklärt. Ihn stört ein Gutachten der Prüfgesellschaft SGS-TÜV Saar. Die hatte festgestellt, dass die Ladefläche zum Be- und Entladen von Lastwagen vor der Halle nicht für den besonderen Umgang mit wassergefährdenden Stoffen ausgelegt sein müsse. »Aber genau beim Verladen passieren die meisten Unfälle«, sagt Leuthner.

Eine Sprecherin der »Defense Logistics Agency« teilt mit Blick auf das Sicherheitskonzept mit: »Die US-Feuerwehr ist ausgebildet in der Identifizierung von Gefahrgütern, der Eindämmung zum Schutze der Umwelt und der fachgerechten Sanierung von Gefahrgütern - unabhängig davon, ob der Störfall in einer Lagerhalle oder beim Transport passiert«. dpa/nd

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