Für Spaniens Premier wird die Luft dünn

Mariano Rajoy hinterlässt als Zeuge schwachen Eindruck vor Gericht / Opposition kündigt Misstrauensvotum an

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie wollen einen Schlussstrich: Die spanische Volkspartei (PP) und ihr Chef Mariano Rajoy möchten das Kapitel Korruption gerne von den Gerichtssälen in die Geschichtsbücher verbannen. Das gilt nach dem erstmaligen Auftritt eines spanischen Regierungschefs vor Gericht mehr denn je, doch dieser Wunsch wird nicht in Erfüllung gehen. Rajoy wurde zwei Stunden zu illegaler Parteienfinanzierung und Korruption in seiner konservativen PP befragt. Für viele Beobachter war sein Auftritt am vergangenen Mittwoch peinlich unwürdig. Längst ist klar, dass der Ministerpräsident nicht zum letzten Mal zur Rede gestellt wird.

Die oppositionellen Sozialisten (PSOE) und die Linkspartei Podemos haben sich nun auf einen Antrag geeinigt, Rajoy aus dem Urlaub »zu einer außerordentlichen Sitzung« im August ins Parlament zu zitieren. Sie haben zwar keine eigene Mehrheit, aber weitere Parteien werden sich anschließen. Das dürfte sich zeigen, dass es im Parlament rechnerisch auch eine Mehrheit für eine alternative Linksregierung gibt.

Die rechtsliberalen Ciudadanos (Bürger) werden nicht mitziehen. Sie wollen Rajoy aber vor den eingesetzten Untersuchungsausschuss zitieren. Es sagt viel, wenn auch der Ciudadanos-Chef Albert Rivera erklärt: »Wir haben einen Präsidenten, der einen Rucksack voller Korruption trägt und nicht nur wir meinen, sondern auch die Bürger, dass er lügt.« Doch seine Partei hatte Rajoy an die Regierung gebracht und stützt ihn dort weiter. Einen Misstrauensantrag lehnt Rivera weiter ab, weil er eine Linksregierung fürchtet. Doch ein erfolgreicher Antrag ist auch ohne seine Stimmen möglich.

Rajoy drohen neue Auftritte vor Gericht, denn bisher geht es im großen »Gürtel«-Korruptionsskandal nur um einen zentralen Teilbereich. Über die Schwarzgeldkassen des angeklagten ehemaligen PP-Schatzmeisters Luis Bárcenas wird später noch verhandelt. Über Schmiergelder wurden diese gut gefüllt, Wahlkämpfe illegal finanziert, »Zusatzlöhne« in bar an PP-Führungsmitglieder ausgezahlt und Parteizentralen renoviert, wie seine parallele Buchführung zeigt. Rajoy soll sogar mit mehr als 300 000 die höchste Gesamtsumme erhalten haben. Benannt ist der Skandal nach Francisco Correa, der als Angeklagter im Zentrum steht. Correa bedeutet auf Deutsch übersetzt Gürtel und unter diesem Decknamen wurde lange geheim ermittelt.

Rajoy gehört bisher nicht zu den Beschuldigten. Er stellte sich als unwissend dargestellt. In der seit 2004 von ihm geleiteten Partei gebe es »eine klare Trennung zwischen wirtschaftlichen und politischen Angelegenheiten«, sagte Rajoy. »Ich habe an keiner Debatte über den Haushalt und die Konten teilgenommen, seit ich die Partei leite.«

Rajoy wurde vor Gericht nicht wie ein normaler Bürger behandelt, womit der Vorgang noch peinlicher wurde. Er ist vorbei an den vielen Kameras über die Tiefgarage ins Gericht geschleust worden. Er musste auch nicht auf dem Zeugenstuhl unten vor den 37 Angeklagten sitzen, sondern durfte auf das Podest, das üblicherweise Richtern und Staatsanwälten vorbehalten ist. Der vorsitzende Richter hielt ständig die schützende Hand über ihn, auch indem er Nebenkläger und Anwälte arrogant herabzuwürdigen versuchte.

Rajoy schaffte es mit seiner Aussage, dass er mit den Finanzen der Partei angeblich nichts zu tun gehabt und sich nur politischen Aufgaben gewidmet habe, dass der Gerichtspräsident danach weitere Fragen zur Finanzierung als »nicht sachdienlich« abschmetterte. Dabei war er, wie er auch eingeräumt hat, für Wahlkämpfe verantwortlich. Und zu denen hatte er sich einst auch vor der Presse geäußert. Und er hatte dabei klare Zahlen zu deren Finanzierung genannt, zum Beispiel über das Jahr 2000 und über den Zeitraum 1999 bis 2005 wurde verhandelt. Falschaussagen als Zeuge sind strafbar, Rajoy könnte eine Anzeige drohen.

Bisweilen gelang es den Klägern doch, Rajoy auf schwieriges Gelände zu treiben. Geeignet waren seine SMS an Bárcenas, als dessen Schwarzgeldmillionen in der Schweiz aufflogen. Rajoy forderte ihn auf, »stark« zu bleiben. »Luis, die Sache ist nicht einfach, aber wir tun, was wir können. Kopf hoch.« Auf die Frage, was das bedeutete, erklärte er: »Das bedeutet, dass wir nichts getan haben, was einen Prozess beeinflussen könnte.« Merkwürdig nur, dass die ersten Ermittlungen kurz darauf eingestellt wurden.

Nach diesem Auftritt hat der PSOE-Chef Pedro Sánchez sofort den Rücktritt des »Korruptions-Ministerpräsidenten« gefordert und von einem »schwarzen Tag« für die Demokratie gesprochen. Podemos-Chef Pablo Iglesias ist überzeugt, dass Rajoy versucht, auch dies auszusitzen. Gemeinsam mit der PSOE soll noch vor Weihnachten ein Misstrauensantrag eingebracht werden. »Es ist unsere Aufgabe, daran zu arbeiten, die übrigen Fraktionen zu überzeugen«, damit es dann eine Linksregierung geben kann. Für Rajoy wird die Luft dünner.

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