Holter will Schulleitern eigenes Budget geben

Künftiger Thüringer Bildungsminister: »Es gibt ernsthafte Probleme« / Spielraum für Bezahlung von Trainern oder Honorarkräften geplant

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Berlin. Thüringens designierter Bildungsminister Helmut Holter (Linkspartei) will den Schulen mehr finanzielle Freiheit geben. »Ich kann mir ein Budget für jede Schule vorstellen, über das der Schulleiter frei verfügen kann, beispielsweise für die Bezahlung von Trainern oder Honorarkräften zur Lehrervertretung«, sagte Holter im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Der 64-Jährige soll am 17. August im Landtag als Nachfolger von Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linkspartei) vereidigt werden.

Thüringen ist bei den Personalausgaben pro Schüler mit 7200 Euro deutscher Meister. Verstehen Sie, warum trotzdem so viele mit den Schulen unzufrieden sind?

Helmut Holter: Ja, da prallen zwei Welten aufeinander - die Zahlenwelt und die reale Welt. Thüringen hat beispielsweise bei den Bildungsrankings im Vergleich der Bundesländer sehr vorzeigbare Ergebnisse. Auf der anderen Seite fällt viel Unterricht aus, wir haben einen Lehrermangel und ein Stadt-Land-Gefälle. Das sind die Probleme, die wir lösen müssen. Es gibt derzeit viele Baustellen, damit Schule richtig gut funktioniert.

Welche wollen Sie zuerst angehen?

Helmut Holter: Die von der Landesregierung abgegebene Unterrichtsgarantie ist die größte Herausforderung. Nach meinem Amtsantritt möchte ich zügig konkrete Ziele und Schritte festlegen. Es muss Verbindlichkeit hergestellt werden, das ist mir wichtig. Ab September soll es Werkstattgespräche in den Regionen geben, in die sich viele einbringen können - auch diejenigen, die sich der Mitarbeit in der Kommission Zukunft Schule verweigert haben wie die kommunalen Spitzenverbände oder die CDU. Ich bin überzeugt, viele Menschen haben konkrete Ideen, was passieren muss.

Und welche Ideen hat der neue Minister, der in wenigen Tagen im Landtag vereidigt wird?

Helmut Holter: Ich kann mir ein Budget für jede Schule vorstellen, über das der Schulleiter frei verfügen kann, beispielsweise für die Bezahlung von Trainern oder Honorarkräften zur Lehrervertretung. Darüber sowie über die Budgethöhe pro Schule will ich mit den Koalitionsfraktionen sprechen. Ein solches Budget kann den Schuleitern die Möglichkeit geben, auf Probleme schnell zu reagieren. Ich denke auch über Modelle mit einer Schule an mehreren Standorten nach.

Thüringens Lehrerverband befürchtet einen Lehrerkollaps. Wie wollen Sie reagieren?

Helmut Holter: Kollaps ist mir zu schwarz gemalt, aber es gibt ernsthafte Probleme. Es geht um viele Schritte, die die Kommission Schule vorgeschlagen hat, in der ich seit Jahresbeginn mitgearbeitet habe. Ich nenne mal einige - neben der schon beschlossenen besseren Bezahlung der Regelschullehrer und den Verbeamtungen: Ein Seiteneinsteigerprogramm für Lehrer, das seinen Namen verdient, relativ schnell die Vertretungsreserve von 100 auf 550 Lehrer aufstocken, ländliche Schulen attraktiver für junge Leute machen. Außerdem sollten wir Anreize schaffen, dass Lehramtsstudenten häufiger Fächerkombinationen studieren, an denen Mangel besteht.

Wie soll das denn gehen?

Helmut Holter: Warum soll jemand nicht ein Stipendium bekommen, der gesuchte Fächer wie Chemie, Physik und Musik studiert, oder der als junger Lehrer aufs Dorf gehen will und sich verpflichtet, dort einige Jahre zu bleiben? Oder vielleicht gibt es in den Orten Häuser im kommunalen Besitz oder Baugrundstücke, die man jungen Lehrerfamilien anbieten kann? Ich setze auf einen Mix aus persönlichen Interessen und materiellen Anreizen. Und natürlich wäre es schöner, wenn die Kommunen mit Lehrermangel deutlich machen, wie willkommen junge Leute sind. Gut funktionieren muss auch der Übergang von der Uni in den Vorbereitungsdienst. Es darf nicht passieren, dass Lehramtsanwärter in andere Bundesländer abwandern, weil sie hier nach dem Studium nicht gleich die Ausbildung fortsetzen können.

Dass hört sich alles so an, als wenn für bessere Schulen in Thüringen noch mehr Geld gebraucht würde?

Helmut Holter: Ohne mehr Geld wird es nicht gehen. Ich nenne nur die Anhebung der Lehrergehälter oder die Inklusion, also das gemeinsame Lernen mit behinderten Kindern. Das gibt es nicht zum Nulltarif. Ich plane, Landesregierung und Koalition voraussichtlich im September eine Art Masterplan vorzulegen, mit einzelnen Schritten und einem Zeitplan. Und da geht es natürlich auch um Geld, aber auch um mögliche neue Richtlinien oder Gesetze, die wir brauchen.

Helmut Holter (64) machte die PDS/Linkspartei in den 1990er Jahren in Mecklenburg-Vorpommern als Landeschef regierungsfähig und führte sie 1998 in die bundesweit erste rot-rote Landesregierung mit der SPD. Er war acht Jahre Arbeits- und Bauminister und bis 2002 auch Vize-Regierungschef in Schwerin. Danach stand er sieben Jahre bis 2016 an der Spitze der Landtagsfraktion. Zuletzt war er Abgeordneter. Holter ist studierter Bauingenieur, verheiratet und hat zwei Töchter. dpa/nd

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