Das Handwerk freut sich

Ministerin Nahles präsentiert euphorische Zahlen zu neuen Arbeitsmöglichkeiten für Flüchtlinge

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Lange hatten Flüchtlingsorganisationen gefordert, dass Arbeitsplätze gleichberechtigt an Flüchtlinge vergeben werden sollten. Im August schaffte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) tatsächlich die sogenannte Vorrangprüfung ab, nach der die Arbeitsämter Flüchtlinge auf Stellen nur dann vermitteln, wenn kein deutscher oder Bewerber aus einem EU-Land zur Verfügung steht. Nicht länger betroffen von der Einschränkung sind nun seit einem Jahr Geflüchtete im Asylverfahren, sobald eine Dreimonatsfrist verstrichen ist, und Geduldete, deren Asylverfahren ohne Anerkennung endete, die aber nicht abgeschoben werden dürfen. Für 133 von insgesamt 156 Agenturbezirken der Bundesagentur für Arbeit wurde die Vorrangprüfung ausgesetzt, nach drei Jahren, also 2019, soll geprüft werden, was es gebracht hat. 23 Agenturbezirke arbeiten weiter nach der alten Regelung.

Ein Jahr nach Abschaffung der Vorrangprüfung sieht die Bundesregierung die Zeit für eine Erfolgsmeldung gekommen. Rund 7000 Flüchtlinge seien seither in Arbeit gelangt, die ohne die Neuregelung »zur Untätigkeit verdammt gewesen wären«, wie Andrea Nahles der Deutschen Presse-Agentur (dpa) erklärte. Im Gesamtjahr 2016 war noch 5346 arbeitssuchenden Flüchtlingen eine Arbeitserlaubnis verweigert worden. Und im ersten Halbjahr 2017 betraf dies noch ganze 119 Fälle. Das klingt nach Erfolg von Regierungspolitik, und das soll es auch.

Die politische Absicht im Wahljahr lugt sogar deutlich hervor, wenn man genauer hinschaut. Zunächst ist es kaum möglich zu ermitteln, wie viele Flüchtlinge Arbeit dank des Wegfalls der Vorrangprüfung fanden. Nach dem Wegfall der Prüfung wird auch die Zahl der eventuell privilegierten Mitbewerber nicht registriert, wie die Bundesagentur für Arbeit (BA) in Nürnberg auf Nachfrage bestätigt. Außerdem zeigt die Zahl längst keine Trendwende bei der Arbeitsaufnahme von Asylbewerbern. Registriert sind bei der Agentur insgesamt 510 000 arbeitssuchende Geflüchtete. Die Zahl der beschäftigten Flüchtlinge gibt sie mit 204 000 an.

Nicht alle Flüchtlinge dürfen eine Arbeit aufnehmen. Asylbewerber und Geduldete, die verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, etwa, weil sie aus einem sogenannten sicheren Herkunftsstaat stammen, dürfen keine Erwerbstätigkeit ausüben. Das Beschäftigungsverbot kann - wie der erzwungene Aufenthalt in solchen Einrichtungen - bis zu sechs Monate dauern.

Integration in Arbeit bleibt ein schwieriges Thema. »Was von der Rechtslage her möglich wäre, scheitert in der Praxis meist an fehlenden Sprach- und berufsfachlichen Kenntnissen, die erst erworben werden müssen«, zitiert dpa die Sprecherin der BA-Regionaldirektion Niedersachsen und Bremen, Sonja Kazma. In Hessen übte die Hälfte der beschäftigten Flüchtlinge Tätigkeiten mit der Qualifikation »Fachkraft« aus. 42,1 Prozent verrichteten Hilfstätigkeiten. Den größten Effekt gegen den zunehmenden Arbeitskräftemangel verzeichnete das Handwerk. Man beschäftige sehr viele Flüchtlinge - »zum Beispiel im Metallbau, Sanitär- und Heizungsbau, im Kfz-Bereich, als Maler und Lackierer oder als Gebäudereiniger«, so die Flüchtlingsbeauftragte der Handwerkskammer Hannover, Sabine Meyer, gegenüber dpa.

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