Invasion der Sumpfkrebse

Eingewanderte Allesfresser üben einen negativen Einfluss auf Gewässer und Ökosystem aus

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf den ersten Blick sehen sie aus wie schmackhafte Hummer. Insbesondere bei Regen laufen derzeit im Großen Tiergarten rot gefärbte, scherenbewehrte, bis zu 15 Zentimeter große Tiere über die Wege. Viele Bürger melden sich bei der Wildtierberatung des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) und berichten von wandernden »Krebstieren«, »Garnelen« oder »Skorpionen«, die sie gesehen haben. Doch bei den Sichtungen handelt es sich um Rote Amerikanische Sumpfkrebse (Procambarus clarkii) - auch Louisiana-Flusskrebs genannt. Wie der Name sagt, liegt die ursprüngliche Heimat der Sumpfkrebse im Süden der Vereinigten Staaten und in Nordmexiko.

Wie die Population im Tiergarten entstand, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich ist, dass die Sumpfkrebse von einem Aquarienfreund ausgesetzt wurden. Wegen ihrer schönen roten Färbung sind die Tiere nämlich sehr beliebt. »Möglicherweise hatten die Tierhalter kein Interesse mehr an ihren Schützlingen oder es wurden überzählige Jungtiere aus Privathaltung - aus falsch verstandener ›Tierliebe‹ - auf diese Weise entsorgt«, sagt Katrin Koch vom Wildtiertelefon des NABU Berlin. Dass derzeit so viele Rote Amerikanische Sumpfkrebse gesichtet werden, hat mit der Strategie der Tiere zu tun, neue Lebensräume über Land zu erschließen. Denn normalerweise graben sich die Krebse an Ufern ein. Es kann aber auch sein, dass die Wanderung durch einen Populationsdruck ausgelöst wird.

Fakt ist: Die nicht heimische Art wurde im vergangenen Jahr in die »Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung« der Europäischen Union aufgenommen. Der »Rote Amerikaner« gehört zu den sogenannten problematischen Neozoen - also eingeschleppte Tierarten, die einen negativen Einfluss auf die Ökosysteme ausüben. Die Sumpfkrebse sind Allesfresser mit einer hohen Vermehrungsrate, die unter anderem Fisch und Amphibienlaich fressen. Dadurch wird die einheimische Fauna dezimiert. Besonders gefährlich ist die invasive Art aber auch deshalb, weil sie als Träger einer Pilzerkrankung gilt, der sogenannten Krebspest. Die Tiere selbst sind gegen die Erkrankung immun, für die in Europa ansässigen Flusskrebse ist die »Krebspest« dagegen tödlich. Nicht zuletzt deshalb muss eine Ausbreitung der knallroten Sumpfkrebse in Spree und Havel unbedingt unterbunden werden, meint der Naturschutzbund. Über den Großen Tiergarten hinaus wurden die Invasoren auch bereits im Britzer Garten gesichtet. Nach Recherchen des NABU wird derzeit ein Monitoring erstellt.

Aus Sicht der Senatsverwaltung für Umwelt gibt es bei den Roten Amerikanischen Sumpfkrebsen die Chance, die Tiere abzufangen, bevor sich die Art etabliert. Die Oberste Naturschutzbehörde sei verpflichtet, einen Managementplan zum Umgang mit den Tieren zu entwickeln, betont der Naturschutzbund. Außerdem sei es bedauerlich, dass die Möglichkeit zum Abfangen derzeit im Tiergarten ungenutzt bleibe.

Aber warum nicht aus der Not ein Geschäft machen? Denn wie die Chinesische Wollhandkrabbe - eine seit Beginn des 20. Jahrhunderts eingewanderte Art - gelten auch die Roten Amerikanischen Flusskrebse andernorts als Delikatesse. Insbesondere gegrillt werden sie von Menschen gerne verspeist, weshalb die Krebse auch vielfach in der Speisekrebsproduktion gezüchtet werden. Doch von einer privaten Sammlung ist abzuraten: Die Sammlung und Befischung gilt in Berlin als Wilderei. Das Fischereiamt ist deshalb derzeit ebenfalls damit betraut, festzustellen, in welchen Gewässern sich diese Krebsart überhaupt befindet. Auch der Handel mit allen derzeit 37 Arten, die auf der Liste der invasiven Arten der EU aufgeführt sind, ist in Deutschland genau wie das Aussetzen strengstens untersagt.

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