Brechts Kreidekreis aus Kunststoff

Die von Frankfurt (Oder) nach Fürstenwalde umgesiedelte Backstage Jonscher GmbH baut Bühnenbilder

  • Jeanette Bederke
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Malsaal der Backstage Jonscher GmbH Fürstenwalde (Oder-Spree) steht ein überdimensionales, kreisrundes Monstrum auf einer mächtigen Stahlkonstruktion. Das sandfarbene Bühnenelement aus Polyurethanschaum soll demnächst Schauspielern am Berliner Ensemble (BE) als Spielfläche dienen. »Das ist Brechts berühmter kaukasischer Kreidekreis, zwölf Meter im Durchmesser und drehbar«, erklärt Backstage-Geschäftsführer Gerd Jonscher. Der Brecht-Klassiker hat am 23. September Premiere.

Jonscher zeigt an einem Miniaturmodell, wie das Ganze funktionieren soll. »Wir bekommen den Auftrag vom Theater, fertigen anhand dessen Konstruktionszeichnungen, kalkulieren Material und Bauzeit und testen die Umsetzung«, erklärt der 55-Jährige die Arbeit seiner Firma, zu der 25 Mitarbeiter gehören - Tischler, Schlosser, Dekorateure, Techniker. Der Kreidekreis ist nicht der einzige Auftrag, an dem Backstage derzeit arbeitet. Bühnenteile entstehen für das neue »Bodyguard«-Musical in Stuttgart oder für das geplante Brecht-Stück »Der gute Mensch von Sezuan« am Theater Heidelberg.

Gerade erst ist Jonscher mit seiner Firma von Frankfurt (Oder) nach Fürstenwalde umgezogen, hat am neuen Standort 1,5 Millionen Euro investiert. Die ehemaligen Werkstatträume und Montagehallen des früheren Kleist-Theaters waren zu eng und marode geworden. Die Bühne ist bereits seit 1999 geschlossen. Dennoch fiel es dem Tischlermeister und Betriebswirt schwer, weg zu gehen. Schließlich hatte in der Theaterwerkstatt seine Karriere begonnen. 1978 kam der gebürtige Frankfurter als Lehrling an die Bühne seiner Heimatstadt. 1994 wurde er dort Werkstattleiter. »Als sich abzeichnete, dass das Theater geschlossen wird, bauten wir mehr und mehr Bühnenbilder für andere Ensembles«, erinnert er sich.

Diese Kontakte machte sich Jonscher zunutze, als er mit der Werkstatt und einigen Mitarbeitern schließlich in die Selbstständigkeit startete. »Der Bedarf war da, auch weil viele Bühnen aus Kostengründen ihre eigenen Werkstätten abgeschafft hatten«, sagt er.

Größere Bekanntheit erlangte die Frankfurter Firma durch einen Auftrag für die Weltausstellung Expo 2000 in Hannover. »Wir haben die Halle für die Eröffnungsveranstaltung komplett mit Bühnen-, Licht- und Tontechnik ausgestattet.« Profitieren konnte der Frankfurter auch durch seine Kontakte zu ehemaligen Mitarbeitern des Kleist-Theaters, die inzwischen an anderen Bühnen arbeiteten.

»Über den ehemaligen Aufnahmeleiter aus Frankfurt (Oder) lernte ich Jonscher vor zwölf Jahren kennen«, erinnert sich Peer Rudolph, Technischer Direktor am Theater Heidelberg, der seitdem bei Backstage immer wieder Bühnenbilder in Auftrag gibt. »Die Firma kommt vom Theater. Die Mitarbeiter wissen, dass Kulissen für ein Stück ständig auf- sowie abgebaut werden und daher entsprechend konstruiert werden müssen«, erklärt Rudolph die langjährige Zusammenarbeit.

Gerade die oftmals kniffligen Konstruktionen seien das Interessante an seinem Job, sagt Jonscher. »Da knobeln wir, probieren aus, bis es stimmt. Die Technik muss funktionieren und die Optik dem Kunden gefallen.« Mit dieser Einstellung habe sich Backstage auch bei großen Musicalproduktionen wie »Sister Act« und »Tanz der Vampire« bewährt. Für die »Blue Man Group« baute die Firma das Bühnenbild in Singapur, das Musical »Rocky« brachte sie sogar an den New Yorker Broadway.

Jonscher wollte mit seinem Unternehmen langsam wachsen, um die Arbeitsplätze seiner Angestellten nicht zu gefährden. Auch das hielt ihn so lange in Frankfurt (Oder), wie er sagt. »Ich hatte gehofft, in der Stadt bleiben zu können. Doch die Kommune verpachtet Gewerbeflächen nur, ich wollte kaufen.«

Jetzt, am neuen Standort in Fürstenwalde, hat er große Lagerhallen zur Verfügung, dazu eine Schlosserei mit integriertem Kran, Dekoabteilung, Tischlerei und Malsaal. Jonscher sucht weitere Mitarbeiter, Handwerker wie Tischler und Schlosser. »Wir können gar nicht alle Anfragen zum Bühnenbau befriedigen.«

Dabei sei der Bühnenbaumarkt hart umkämpft, sagt Nils Lunow, technischer Produktionsleiter der Hamburger Firma Stage Entertainment, die gern mit Backstage zusammenarbeitet. dpa

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