Der Tod nimmt alle

»Lost« zeigt Puppen, Schauspiel, Pantomime

  • Lydia Nehring
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.
Montagmorgen. Der durchdringende Weckruf einer Uhr zerreißt die Dunkelheit. Eine tiefe Stimme schimpft verschlafen, ein Mann rappelt sich mühsam aus seinem Bett hoch. Müde hängen seine Schultern herab, als er in seinem Notizbuch liest, dass er heute ins Altersheim Friedrichshain gehen muss.
Erschöpft greift der Mann nach seinem Koffer, auf dem »Show Time« steht. Und schon grinst er von einem Ohr zum anderen, während er sich im Scheinwerferlicht in den Hüften wiegt, eine silberne Kugel unter einem blauen Tuch hervorzaubert oder sich als Clown mit roter Nase präsentiert. Es ist der Alltag eines einsamen Clowns und Entertainers, der in der Finke-Schäfer-Produktion »Lost« gezeigt wird. Die poetische und zugleich humorvolle Inszenierung, die mit den Mitteln von Handpuppentheater, Schauspiel und Pantomime arbeitet, feierte in der Schaubude Premiere.
Allerdings macht das Stück nicht nur mit dem glatzköpfigen Clown bei Tage bekannt, sondern lässt auch dessen Träume lebendig werden. In der Nacht tauchen hinter dem schlafenden Mann, dessen tischartiges Bett in der Mitte des kargen Zimmers steht, Gott, Teufel und Tod in Gestalt von Puppen auf. Eigentlich kein Wunder, schließlich hat der müde Entertainer am Abend in einem Märchenbuch der Gebrüder Grimm geblättert und blieb an der Geschichte über »Gevatter Tod« hängen. Sie erzählt von einem armen Vater, der für sein 13. Kind einen Gevatter sucht. Doch sowohl den Herrgott, der es überall schön findet, als auch den Teufel, der ihm viel Geld bietet, empfindet der Mann als ungerecht. Nur der Tod behandelt alle Kreaturen gleich. So vertraut er der Gestalt im hellen Kapuzenmantel seinen Sohn an. Der Tod lässt den spitznasigen Johann zu einem Arzt werden. Der junge Mann ist erfolgreich - bis er aus Liebe einen schweren Fehler begeht.
Unter der Leitung von Melanie Sowa und Mario Hohmann gelingt es den Spielern Jens Finke und Pierre Schäfer, die heutige Realität mit der Märchenfiktion auf nachdenkliche, fesselnde Weise zu verschmelzen. In der atmosphärisch dichten Arbeit spüren sie den Fragen nach dem Sinn des Daseins, der Vergänglichkeit und dem Tod nach.
Am Ende muss Johann im Raum der Lebenslichter erkennen, dass seine Tage gezählt sind. Sein Gevatter begleitet ihn auf seinem letzten Gang, vor dem sich ein Mensch wie Johann nicht fürchten muss.
Der Clown aber, der sich von seinen Freunden und Verwandten abgewandt hat, erhält einen Brief und erfährt, dass er Vater wird.

Infos zu Spielterminen in der Schaubude, Greifswalder Str. 81, Prenzlauer Berg, Tel.: 423 43 14, gespielt wird dort am 10., 11.3., 15 Uhr: Rotkäppchen (ab 3 J.); vom 9.-11.3., 20 Uhr: Fremde, Diplominszenierung, Hochschule fü...

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