- Politik
- Bundestagswahl
Der Kampf ums Wahlrecht
Forderungen nach einem Ausländerwahlrecht sorgen regelmäßig für Schnappatmung. Dabei ist die Bundesrepublik von der Einführung eines solchen weit entfernt
Gerüchte darüber, dass die Einführung eines Wahlrechts für Nichtdeutsche kurz bevor stünde, sorgen regelmäßig für hysterische Empörungswellen - insbesondere in rechten Filterblasen. Eine »Nachricht« der Satireseite »Eine Zeitung« beispielsweise mit dem Titel »Merkel möchte allen Flüchtlingen schnellstmöglich Wahlrecht geben«, verbreitete sich im Oktober 2015 rasend schnell und wurde von vielen ernst genommen.
Als im Februar 2017 eine Kommission unter Vorsitz der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, im Rahmen eines »Leitbildes für die Einwanderungsgesellschaft« empfahl, auch Nicht-EU-Bürger an Kommunalwahlen zu beteiligen, behauptete die AfD-Bundesvorsitzende Frauke Petry: »Offenbar will Özoğuz Nägel mit Köpfen machen. Statt nicht bleibeberechtigte Migranten in ihre Heimatländer abzuschieben, soll ihnen in Deutschland der rote Teppich ausgerollt werden, inklusive Wahlrecht und deutschem Pass. Die SPD würde sich praktisch im Handstreich Millionen neue Wähler organisieren.«
Tatsächlich ist die Bundesrepublik von einer Ausweitung des Wahlrechts, und sei es nur das kommunale, wie von Özoğuz vorgeschlagen, weit entfernt. Ein von SPD, Grünen und Piraten unterstützter Antrag, in Nordrhein-Westfalen das Kommunalwahlrecht auf Nicht-EU-Bürger auszuweiten, scheiterte im Frühjahr 2017 im Landtag. Für die Änderung der Landesverfassung wäre eine Zweidrittelmehrheit nötig gewesen - FDP und CDU waren strikt dagegen. Die Idee eines Ausländerwahlrechts sei »absurd« und kein Mittel der Integration, schimpfte der FDP-Vorsitzende Christian Lindner damals. Der Vorschlag passe »nicht in die Zeit«. Auch die CDU wetterte gegen die Pläne, die Bundesspitze schaltete sich ein und warnte vor »AKP-Vertretern in deutschen Stadträten«.
In den Bundestagswahlprogrammen der Parteien spielt das Wahlrecht zum Teil eine Rolle. So schreibt die SPD, man setze sich auch für die Ausweitung des Wahlrechts ein - beispielsweise für dauerhaft ansässige Drittstaatenangehörige auf kommunaler Ebene. Die Grünen finden, alle in Deutschland lebende EU-Bürger sollten ein Landtagswahlrecht erhalten. Zudem wollen sie »das kommunale Wahlrecht nach dem Wohnortprinzip regeln und nicht nach der Staatsbürgerschaft«. Am weitesten geht die Linkspartei: Sie fordert eine »umfassende Wahlrechtsreform«. Dazu gehöre, so die Partei in ihrem Wahlprogramm, zum Beispiel die Fünf-Prozent-Sperrklausel abzuschaffen. Außerdem fordert sie für alle seit fünf Jahren in Deutschland lebende Menschen das Wahlrecht.
Viel Hoffnung auf eine Umsetzung dieser Forderung dürfen sich Betroffene aber kaum machen. Denn obwohl die Diskussion um ein Ausländerwahlrecht immer wieder hochkocht, hat sich seit Anfang der 90er Jahre hier nichts getan. Bei Europa- und Kommunalwahlen sind Bürger anderer EU-Mitgliedstaaten, die in Deutschland wohnen, wahlberechtigt - das wurde im Vertrag von Maastricht festgeschrieben. Weitergehende Initiativen sind allesamt - wie in NRW - gescheitert.
Anders war es in den letzten Tagen der DDR: Bei den Kommunalwahlen im März 1989 und im Mai 1990 durften alle in der DDR lebende »Ausländer« mitwählen.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.