Westfilm mit Ostfrauen

Nochmals angeschaut: Eine Dokumentation vom 8. März 1981

Die Protagonisten einer West-Dokumentation zum Frauentag von 1981 trafen sich nach 26 Jahren in Erfurt.

Elmi Erfurt, das Backwarenkombinat: Wie jeden Tag stehen die Frauen mit ihren weißen Häubchen am Fließband. An diesem Tag aber ruft sie ihr Betriebsleiter zusammen, lobt sie und wünscht sich von ihnen hochoffiziell, »dass Sie auch weiter Ihre Arbeitskraft so vorbildlich wie bisher unserem Betrieb zur Verfügung stellen«. Als Ansporn drückt er jeder der Frauen einen Warengutschein in die Hand.
Es ist der 8. März 1981, und die Szene wurde von zwei Westjournalisten aufgenommen - von Luc Jochimsen und dem Kameramann Lucas Maria Böhmer. 26 Jahre später lässt Jochimsen, nun Bundestagsabgeordnete für die Linkspartei, ihren Film noch einmal öffentlich über die Leinwand flackern: »Der 8. März. Wie die DDR ihre berufstätigen Frauen ehrt«. Und sie hat die Protagonistinnen von damals zur Vorführung in das Erfurter Kabarett »Arche« eingeladen. Ostfrauen im Westfilm - was waren sie? Zerrbild? Abbild? Vorbild?
Gudrun Grahl jedenfalls war einfach Konditorin im Backwarenkombinat, verheiratet, zwei Kinder. Die damaligen Fragen von Luc Jochimsen, ob sie sich nicht hätte vorstellen können, nach den Kindern zu Hause zu bleiben, erscheinen aus Ost-Frauen-Sicht immer noch wie aus einer anderen Welt. Die Ärztin Petra Kielmann, die damals mit ihrem Mann eine Praxis auf dem Lande führt, wird von der Dokumentarfilmerin mit dem Fakt konfrontiert, dass im Westen viele Medizinstudentinnen ihr Studium abbrächen, wenn sie heirateten. »Was müssen denn Frauen hier tun«, fragt Jochimsen die damals etwa 30-Jährige, »um erfolgreich zu sein?« »Nichts anderes als Männer«, lautet die prompte Antwort.
Und dann ist da noch die Genossenschaftsbäuerin Lisa Metz, die mit sieben Kindern und über 40 noch ihren Meister macht. Nein, sich ihre ganzen Auszeichnungen anzuheften, dazu hergeben würde sie sich nicht. »Aber stolz bin ich schon.« Lisa Metz ist nicht auf dem Podium. Sie lebt nicht mehr. »Damals musste sie mit 60 in den Ruhestand«, erklärt eine Tochter. »Das hat sie sehr geschockt. Das war nicht mehr ihre Welt.«
Der Film ist eine Erinnerung an verlorene Selbstverständlichkeiten: zu arbeiten, sich gleichwertig zu fühlen und schließlich Kinder, Arbeit und sogar Weiterbildung unter einen Hut zu bekommen. Mit allen Zerreißproben - das zeigte indes eher die aktuelle Diskussion in der »Arche«. Dennoch, für Luc Jochimsen war es eine »wahnsinnig interessante Welt, die vieles enthielt, wofür ich bis heute kämpfe«. Dass diese Welt von einer Staatssicherheit bewacht wurde, die sie auf eine Zustimmung zu ihren Dreharbeiten drei Jahre warten ließ und die ihr dann die Gesprächspartner zuwies, nahm sie in Kauf. Wiewohl die Journalistin später über den Umfang der Akte erschrocken war. Heutige Historiker unterstellen ihr Blauäugigkeit und die arrangierte Präsentation einer heilen DDR-Welt. Jochimsen ist es wichtig, sich eben dies von ihren »Akteurinnen« widerlegen zu lassen. Arrangiert? »Du weißt doch, was du zu sagen hast«, wurde Grahls Ehemann kurz vor dem Dreh von seinem Chef instruiert. »Das wusste ich schon vorher«, entgegnete der. Heute mag das bloßstellend klingen. Wer aber im Osten lebte, weiß um das fast verzweifelte Bemühen, um der angestrebten Ideale willen Probleme lieber intern zu verhandeln als sie anzuprangern, schon gar nicht im Westfernsehen. Ihrem Sender, dem Hessischen Rundfunk, ist Jochimsen dankbar. »Da muss ich der Bundesrepublik ein Kompliment machen. Ich konnte meinen Weg gehen.«
Die Konditorin Gudrun Grahl ist heute arbeitslos. »Es war damals alles geregelter«, findet sie. »Als Westfrau fühle ich mich wohler«, bekennt die Ärztin Petra Kielmann. »Ich kann endlich reden, wie mir der Schnabel gewachsen ist.« Für die Töchter von Lisa Metz bestehen keine großen Unterschiede: Man arbeite viel und hoffe, dies noch eine ganze Weile tun zu können.
Eines einte Publikum wie Podium: Die Erfahrungen von DDR-Frauen haben es nicht verdient, ad acta gelegt zu werden.

Der Film soll nochmals gezeigt werden. Ort und Zei...

Wenn Sie ein Abo haben, loggen Sie sich ein:

Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.

Bitte aktivieren Sie Cookies, um sich einloggen zu können.